Rolle rückwärts beim XI. BFH-Senat zum Aufteilungsgebot -Steuersatz bei Beherbergungsleistungen?
Aktueller BFH-Beschluss vom 07.03.2022
Zwar liegt mit dem Beschluss vom 07. März 2022, XI B 2/21 nur eine Aussage zum vorläufigen Rechtsschutzverfahren vor (hier Aussetzung der Vollziehung). Der BFH sieht aber das Aufteilungsgebot des § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG bei Beherbergungsumsätzen als ernstlich zweifelhaft an.
Konterkariert sich der XI. Senat damit selbst?
Mit Urteil vom 24.04.2013 – XI R 3/11 (BFHE 242, 410, BStBl II 2014, 86) hatte der BFH entschieden, dass bei Übernachtungen in einem Hotel nur die unmittelbar der Vermietung (Beherbergung) dienenden Leistungen des Hoteliers dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 % unterliegen. Dies gilt auch bei Pauschalpreisen „Übernachtung mit Frühstück“.
- Mit § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 1 UStG hat der nationale Gesetzgeber von der möglichen Option in Art. 98 Abs. 1 und 2 i.V.m. Anhang III Kategorie 12 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) Gebrauch gemacht.
- Damit normiert § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG ein Aufteilungsgebot für Leistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen.
- Dies gilt auch gerade bei einheitlichen Leistungen, da ein Aufteilungsgebot (nur) für den Steuersatz vorliege.
- Nach Rz. 51 f. der Urteilsbegründung ist dies auch unionsrechtskonform.
Der XI. Senat sah also keine Notwendigkeit diese Frage dem EuGH zur Klärung vorzulegen.
Übernachtung mit Einräumung von Parkmöglichkeiten als Pauschalangebot.
Mit BFH Urteil vom 01.03.2016 – XI R 11/14 (BStBl II 2016, 753) wurde dies bestätigt für den Fall der Übernachtung mit Einräumung von Parkmöglichkeiten als Pauschalangebot.
- Auch hier heißt es in Rz. 18 der Urteilsbegründung: „Dies ist unionsrechtskonform. Der Grundsatz, dass eine (unselbständige) Nebenleistung das Schicksal der Hauptleistung teilt, wird von diesem Aufteilungsgebot verdrängt“.
EuGH vom 18.01.2018 – Stadion Amsterdam
Mit EuGH-Urteil vom 18.1.2018, C-463/16, Stadion Amsterdam (DStR 2018, 246) hatte der EuGH dann jedoch entschieden, dass zwei Bestandteile einer einheitlichen Leistung, der Haupt- und der Nebenbestandteil, (für sich genommen) nicht unterschiedlichen Mehrwertsteuersätzen unterliegen dürfen. Ein aus mehreren Bestandteilen bestehender Umsatz muss als einheitliche Leistung ein und demselben Mehrwertsteuersatz unterliegen! Würde den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eingeräumt, auf die einzelnen Bestandteile einer einheitlichen Leistung die verschiedenen für diese Bestandteile geltenden Mehrwertsteuersätze anzuwenden, führte dies zu einer künstlichen Aufspaltung der Leistung und könnte die Funktionalität des Mehrwertsteuersystems beeinträchtigen.
- Demnach wäre die nationale Regelung des § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 1 UStG ein potenzieller Verstoß gegen das Unionsrecht.
BFH vom 13.06.2018 – Dinner-Show
Im Verfahren BFH Urteil vom 13.06.2018 – XI R 2/16, BStBl II 2018, 678 “Dinner-Show” hatte der XI. Senat diese Frage ausdrücklich offen gelassen. Da er den Fall anders „gelöst hat“.
Der V. Senat hat soweit erkennbar bisher keine Gelegenheit gehabt diese Frage zu beantworten.
Neueste BFH-Rechtsprechung
Mit dem o.a. Beschluss vom 07.03.2022 scheint der XI. Senat zumindest seine Auffassung überdenken zu wollen. Konkret wird dies dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
Allerdings sind bereits andere Verfahren als Revision beim BFH anhängig:
- XI R 7/21, XI R 22/21, XI R 34/20 , XI R 35/20
Anhängige Rechtsfragen:
- Entspricht das in § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG angeordnete Aufteilungsverbot, wonach Verpflegungsleistungen nicht unmittelbar der Vermietung dienen und deshalb nicht ermäßigt besteuert werden, auch nach dem Ergehen des EuGH-Urteils Stadion Amsterdam vom 18.01.2018 – C-463/16 (EU:C:2018:22) noch Unionsrecht?
- Dient die Einräumung von Parkmöglichkeiten der Vermietung, so dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Übernachtung und der Parkplatzgestellung besteht und diese dem ermäßigten Steuersatz unterliegt?
- Unterliegt die Überlassung von Parkplätzen, W-LAN und Fitnesseinrichtungen an Hotelgäste dem ermäßigten Steuersatz für Beherbergungsleistungen (§ 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 1 UStG) oder dem Regelsteuersatz, wenn hierüber keine gesonderten Vereinbarungen getroffen wurden?
Tipp für die Praxis
Aufgrund der o.a. Revisionsverfahren gilt:
Einsprüche können auf diese anhängigen Verfahren gestützt und das Finanzamt auf die gesetzliche Verfahrensruhe gem. § 363 Abs. 2 S. 2 AO hingewiesen werden.
Autor: Jürgen R. Schott
Vita und Seminare
Bleiben Sie up-to-date mit unseren Angebotenen. Abonnieren Sie den Nautilus – Newsletter.
NEWSLETTERANMELDUNG