Rückwirkende Erhöhung der Entfernungspauschale

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Praktische Auswirkungen durch die rückwirkende Erhöhung der Entfernungspauschale

Wie muss die nunmehr rückwirkende Erhöhung der Entfernungspauschale vor dem Hintergrund des BMF-Schreibens vom 18.11.2021 zur „neuen“ Entfernungspauschale ab 2021 Stellung eingeordnet werden? Im BMF-Schreiben vom 18.11.2021 hatte die Verwaltung bereits umfangreich zu folgenden Fragen Stellung genommen:

  • Erhöhung der Entfernungspauschale ab dem 21. Entfernungskilometer = 0,35 €
  • insbesondere sind umfangreiche Berechnungsbeispiele zur Frage der Deckelung auf 4.500 € gegeben, wenn der Arbeitnehmer sowohl den eigenen PKW als auch zB. die Bahn benutzt.

Steuerentlastungsgesetz 2022

Mit dem nunmehr verkündeten Steuerentlastungsgesetz 2022 wurde rückwirkend zum 01.01.2022 die Anhebung auf 0,38 € verankert (ab dem 21. Kilometer). Aktuell ist dies begrenzt bis zum Jahre 2026.

  • Bis zur Einkommensteuerveranlagung 2022 ist noch etwas Zeit 😉.

Es ergeben sich allerdings schon JETZT Fragen zur Lohnabrechnung für die Praxis. Zum Beispiel:

Praxisfrage zur Entfernungspauschale

Was gilt in den Fällen der Arbeitgeberzuschüsse bei Fahrten Wohnung – 1. Tätigkeitsstätte in Form der Pauschalbesteuerung des § 40 EStG.

Lösungsmöglichkeiten

Hier ergeben sich mehrere Möglichkeiten, die abhängig sind von den konkreten arbeitsrechtlichen Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer und/oder freiwilligen Zahlungen des Arbeitgebers.

  • A) es ändert sich nichts, da der Arbeitgeber die höheren Zuschüsse (+ 0,03 €/KM) nicht leisten muss / will
    B) es kommt zur höheren Bezuschussung ab zB. 01.07.2022, da der Arbeitgeber zwar nicht zahlen muss, es aber freiwillig tut – nur eben erst für die Zukunft
    C) es kommt zur höheren Bezuschussung rückwirkend ab 01.01.2022, da der Arbeitgeber dies freiwillig tut oder aber verpflichtet ist – in diesem Fall muss der Lohn rückwirkend insoweit korrigiert werden, zB. Januar bis Mai 2022

WICHTIG⚠️

  • In keinem Fall darf ein höherer Zuschuss pauschaliert werden als kraft Gesetzes Werbungskosten möglich sind („soweit“)!
  • In Höhe der Zuschüsse mindern sich die Werbungskosten des Arbeitnehmers.

Beispiel

Ausgangspunkte

Benutzung verschiedener Verkehrsmittel (Teilstrecke 1 eigener PKW, Teilstrecke 2 öffentliche Verkehrsmittel) durch den Arbeitnehmer, Arbeitgeber muss/will den höheren Zuschuss ab 01.01.2022 berücksichtigen.

  • die erhöhte Entfernungspauschale ab dem 21. Entfernungskilometer ist vorrangig bei der Teilstrecke 1, die mit einem eigenen PKW zurückgelegt wird, zu berücksichtigen = 0,38 € – da für diese der Höchstbetrag von 4.500 € nicht gilt
  • die 0,30 € für die ersten 20 km gelten vorrangig bei der Teilstrecke 2 mit öffentlichen Verkehrsmittel

Sachverhalt

Der Arbeitnehmer Nauti fährt an 220 Arbeitstagen mit dem eigenen PKW 30 km zur nächsten Bahnstation und von dort 100 km mit der Bahn zur 1. Tätigkeitsstätte. Die kürzeste maßgebende Entfernung (Straßenverbindung) beträgt 100 km. Die Aufwendungen für die Bahnfahrten betragen
2.160 € (monatlich 180 € x 12) im Jahr.
Von der maßgebenden Entfernung von 100 km entfällt eine Teilstrecke von 30 km auf Fahrten mit dem eigenen Kraftwagen und eine Teilstrecke von 70 km auf Fahrten mit der Bahn.
Für die Teilstrecke mit der Bahn (100 km – 30 km) errechnet sich eine Entfernungspauschale von 220 Arbeitstagen x 20 km x 0,30 € = 1.320 € zuzüglich 220 Arbeitstage x 50 km x 0,38 € = 4.180 €; in der Summe 5.500 €.
Hierfür ist der Höchstbetrag von 4.500 € anzusetzen.
Für die Teilstrecke mit dem PKW errechnet sich eine Entfernungspauschale von 220 Arbeitstagen x 30 km x 0,38 € = 2.508 €, so dass sich eine insgesamt anzusetzende Entfernungspauschale von 7.008 € (4.500 € + 2.508 €) ergibt.
Die tatsächlichen Aufwendungen für die Bahnfahrten in Höhe von 2.160 € bleiben unberücksichtigt, weil sie unterhalb der für das Kalenderjahr insgesamt anzusetzenden Entfernungspauschale liegen.
Diese 7.008 € sind auch der Höchstbetrag für die LSt-Pauschalierung.

Pauschalierung?

Der Arbeitgeber kann die lohnsteuer für zusätzlich (!) zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gezahlte Zuschüsse zu den Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und 1. Tätigkeitsstätte pauschal mit 15 % erheben, soweit die Zuschüsse den Betrag nicht übersteigen, den der Arbeitnehmer als Werbungskosten geltend machen könnte. Die pauschal besteuerten Zuschüsse mindern die abziehbaren Werbungskosten.
Aus Vereinfachungsgründen kann der Arbeitgeber unterstellen, dass die abziehbare Entfernungspauschale pro Monat beträgt:

  • Teilstrecke Bahn: 15 AT x 20 KM x 0,30 € = 90 € zzgl. 15 AT x 50 KM x 0,38 € = 285 € – gesamt: 375 € (x 12 Monate = 4.500 €)
  • Teilstrecke PKW: 15 AT x 30 KM x 0,38 € = 171 €
  • gesamt pro Monat = 546 €

Der AG kann den Zuschuss in Höhe von 546 € nach § 40 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 Buchstabe b EStG pauschal besteuern. Wird ein höherer Zuschuss gezahlt, so erhöht dies den (mit dem individuellen Steuersatz zu versteuernden) Bruttoarbeitslohn.
Sofern von Januar -Mai ein geringerer Zuschuss als 546 € gezahlt und pauschal versteuert wurde (auf Basis von 0,35 €), so wäre nun eine Nachzahlung rückwirkend mit Korrektur der Lohnabrechnung möglich oder zwingend.

Lohnkorrekturen⚠️

Die pauschal besteuerten Bezüge sind nach Maßgabe des § 4 Absatz 1 Nummer 8 LStDV im Lohnkonto aufzuzeichnen und nach § 41b Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 EStG in der Zeile 18 der Lohnsteuerbescheinigung auszuweisen.
Der Arbeitgeber kann zu einer rückwirkenden Korrektur verpflichtet sein. Nämlich dann, wenn ihm eine Korrektur wirtschaftlich zuzumuten ist (§ 41c Abs. 1 S. 2 EStG). Dies ist grundsätzlich dann der Fall, wenn der Arbeitgeber den Lohn maschinell abrechnet und das Lohnabrechnungsprogramm eine rückwirkende Neuberechnung vorsieht und ermöglicht = Standardfall.
Ansonsten wäre zu prüfen, ob im Rahmen der ESt-Veranlagung höhere Werbungskosten geltend gemacht werden.

Neugierig? Dann seien Sie dabei und beachten unser Angebot Blickpunkt Lohn “Praxisherausforderung LSt-Pauschalierung” – onAIR Webinar 11.10.2022.

Wir freuen uns auf Sie!

Quelle: BMF-Schreiben vom 18.11.2021

Autor: Jürgen R. Schott
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