Krankheitskosten und zumutbare Eigenbelastung
Rechtsgrundlage
Krankheitskosten können als außergewöhnliche Belastungen (agB) steuermindernd berücksichtigt werden, soweit sie die zumutbare Eigenbelastung nach § 33 Absatz 3 Einkommensteuergesetz (EStG) übersteigen (§ 33 Absatz 1 EStG). Die Berechnung der zumutbaren Eigenbelastung erfolgt im jeweiligen Einzelfall nach dem Gesamtbetrag der Einkünfte, der Anzahl der Kinder und dem Familienstand.
Unterschied bei Beamten und den übrigen Steuerpflichtigen
Im Verhältnis zwischen Beamten und allen übrigen Steuerpflichtigen (z.B. Arbeitnehmern) stellt sich folgende Frage:
❓Ist die durch die zumutbare Eigenbelastung ausgelöste Beschränkung der Absetzung von Aufwendungen,
- die bei Beamten „beihilfefähige“ Aufwendungen sind,
- die nicht durch das sozialhilferechtliche Versorgungsniveau abgedeckt sind,
- die übrigen Steuerpflichtigen gegenüber öffentlichen Dienstnehmern in verfassungswidriger Weise benachteiligt.
Rechtsprechung zu Krankheitskosten und zumutbare Eigenbelastungen
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 01.09.2021, VI R 18/19 entschieden, dass der Ansatz der zumutbaren Belastung nach § 33 EStG bei sogenannten beihilfefähigen Krankheitskosten Steuerpflichtige ohne Beihilfeanspruch nicht in verfassungswidriger Weise gegenüber beihilfeberechtigten Beschäftigten im öffentlichen Dienst benachteiligt.
Warum❓❓❓
Weiterer Werdegang
Die beim BFH unterlegenen Revisionskläger haben gegen das BFH-Urteil
- beim BFH Anhörungsrüge (anhängig unter: VI S 13/21) und
- beim BVerfG Verfassungsbeschwerde (derzeit anhängig unter: AR 8859/21) eingereicht,
Praxistipp
so dass Einsprüche in dieser Massenrechtsfrage auf diese beiden Verfahren gestützt und die Finanzämter auf die gesetzliche Verfahrensruhe gemäß § 363 Absatz 2 Satz 2 Abgabenordnung (AO) hingewiesen werden sollten.
Die gesetzliche Verfahrensruhe ist in den Fällen angezeigt, in denen die Einkommensteuerfestsetzung nicht vorläufig ergangen ist. Dies ist bei neueren Bescheiden der Fall, da das Bundesfinanzministerium (BMF) mit Schreiben vom 28.03.2022 den Vorläufigkeitsvermerk gemäß § 165 Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 AO hinsichtlich des Abzugs einer zumutbaren Belastung (§ 33 Absatz 3 EStG) bei der Berücksichtigung von Aufwendungen für Krankheit und Pflege als außergewöhnliche Belastungen aufgehoben hat.
Im Falle bereits laufender Einspruchs- und Änderungsanträge haben die obersten Finanzbehörden der Länder im April 2022 eine Allgemeinverfügung erlassen, wonach alle Einsprüche und Änderungsanträge zurückzuweisen sind, soweit diese sich mit einem Verstoß gegen das Grundgesetz begründen. Die Klagefrist beträgt ein Jahr.
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