Kein Werbungskostenabzugsverbot bei der Inanspruchnahme des Geschäftsführers für Lohnsteuer
Aktuelle Rechtsprechung des BFH zum Werbungskostenabzugsverbot
Der BFH musste sich jüngst mit der Rechtsfrage auseinandersetzen, ob ein Werbungskostenabzugsverbot bei der Inanspruchnahme des Geschäftsführers für Lohnsteuer besteht?
Sachverhalt
Antonia Müller war neben A Gesellschafterin und Geschäftsführerin der B-GmbH. Sie bezog von der GmbH, die ein Restaurant betrieb, für ihre Geschäftsführertätigkeit Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
Über das Vermögen der GmbH wurde in 2014 das Insolvenzverfahren eröffnet. Antonia Müller wurde mit einem auf §§ 69, 34 AO gestützten Haftungsbescheid für von der GmbH für verschiedene Voranmeldungszeiträume im Jahr 2013 angemeldete, aber nicht an das Betriebsstättenfinanzamt abgeführte Lohnsteuern und Nebenabgaben in Höhe von insgesamt 19.995,08 € in Anspruch genommen. In den rückständigen Steuerbeträgen war auch die eigene Lohnsteuer von Antonia Müller enthalten.
Auf diese Haftungsschulden entrichtete die Klägerin im Streitjahr 2014 insgesamt 13.746,12 € und im Streitjahr 2015 1.312,96 €. Den Haftungsschulden lagen teilweise auch Forderungen gegen die GmbH zugrunde, die dadurch entstanden waren, dass die GmbH angemeldete Lohnsteuern, die auf den Arbeitslohn der Klägerin selbst entfielen, nicht abgeführt hatte.
Rechtsfrage: Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit❓
Entscheidung des BFH v. 08.03.2022 – VI R 19/20; DStR 2022, 1712
Aufwendungen eines angestellten Geschäftsführers zur Tilgung von Haftungsschulden sind auch insoweit als
☞Werbungskosten bei dessen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abziehbar, falls die Haftung auf nicht abgeführter Lohnsteuer beruht, die auf den Arbeitslohn des Geschäftsführers entfällt.
☞Das Abzugsverbot gemäß § 12 Nr. 3 EStG steht dem nicht entgegen.
Erläuterung
Anders als die Auffassung des FG ist der Werbungskostenabzug einheitlich zu beurteilen. Der BFH hat die Entscheidung einheitlich getroffen.
Urteilsbegründung
Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen (§ 9 Abs. 1 S. 1 EStG).
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH liegen Werbungskosten vor, wenn zwischen den Aufwendungen und den steuerpflichtigen Einnahmen ein Veranlassungszusammenhang besteht.
Davon ist auszugehen, wenn die Aufwendungen mit der Einkünfteerzielung objektiv zusammenhängen und ihr subjektiv zu dienen bestimmt sind, d.h. wenn sie in wirtschaftlichem Zusammenhang mit den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit stehen.
Maßgeblich dafür, ob ein solcher Zusammenhang besteht, ist zum einen die Beurteilung des die betreffenden Aufwendungen „auslösenden Moments“, zum anderen dessen Zuweisung zur einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre.
Die Haftung beruhte damit auf Pflichtverletzungen der unterlassen Zahlung, die Antonia M aufgrund ihrer nichtselbständigen Tätigkeit als angestellte Geschäftsführerin der GmbH zur Last gelegt wurden.
Denn sie hatte als Geschäftsführerin der GmbH dafür Sorge zu tragen, dass die GmbH ihre steuerlichen Pflichten erfüllte, insbesondere die einbehaltenen Lohnsteuern an das Betriebsstättenfinanzamt abführte und die entsprechenden Nebenabgaben entrichtete. Diesen beruflichen Pflichten ist Antonia M jedoch nicht hinreichend nachgekommen.
Die Inhaftungnahme stand hiernach in wirtschaftlichem Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit als angestellte Geschäftsführerin der GmbH. Das „auslösende Moment“ für die von der Klägerin auf die Haftungsschulden getätigten Aufwendungen lag folglich im Bereich der einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre.
Die Aufwendungen standen damit in objektivem Zusammenhang mit der Einkünfteerzielung.
Sie dienten auch subjektiv der beruflichen Tätigkeit der Klägerin, da diese mit den Aufwendungen Schulden tilgen wollte, die sie als angestellte Geschäftsführerin der GmbH getroffen hatten.
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Quelle: BFH-Urteil