Auslegung des OECD-Musterabkommens für die Praxis

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Auslegung des OECD-Musterabkommens für die Praxis: BMF versus BFH!

Die korrekte Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) ist immer eine Herausforderung und kann von den beteiligten Staaten unterschiedlich erfolgen. In den meisten Fällen wird das OECD-Musterabkommen, auf dem die (deutschen) DBA basieren, sowie der dazugehörige Kommentar herangezogen.

Neues BMF-Schreiben zur Auslegung des OECD-Musterabkommens

Mit Schreiben vom 19.04.2023 (IV B2 – S1301/22/10002) hat sich das BMF jüngst zu dem Thema des OECD-Musterkommentars für die Auslegung von DBA geäußert.

☞Danach sei der OECD-Musterkommentar ein widerlegliches Indiz für die Praxis der Mitgliedsstaaten bei der Auslegung der dem OECD-Musterabkommen entsprechenden Vorschriften ihrer DBA.

☞Der Musterkommentar wird regelmäßig aktualisiert und beschlossen.

Nautilus-Tipp

⚠️U.E. widerspricht die Aussage des BMF inhaltlich der Auffassung des BFH in seinem veröffentlichten Urteil vom 11.07.2018 (I R 44/16), BStBl II 2023, Seite 430). Der BFH sieht gerade keine Grundlage für eine sogenannte dynamische Abkommensauslegung:

⚠️Da die Änderung eines völkerrechtlichen Vertrags nur aufgrund eines entsprechenden Zustimmungsgesetzes innerstaatliche Wirksamkeit erlangt, und hierzu ausschließlich der deutsche Gesetzgeber befugt ist, bedarf es keiner weiteren Erläuterung, dass den die DBA vollziehenden Verwaltungsbehörden eine solche Kompetenz nicht zukommt. Eine von ihnen getroffene Vereinbarung zur Abkommensauslegung kann, wenn sie keinen Eingang in den geänderten Vertragstext sowie das Zustimmungsgesetz gefunden hat, auch die Gerichte nicht binden. Diese haben vielmehr den Abkommensinhalt nach Maßgabe des Zustimmungsgesetzes zu ermitteln. Demgemäß kann es nicht in Betracht kommen, der bloßen Änderung des OECD-Musterkommentars,selbst dann, wenn sie mit Zustimmung der deutschen Verwaltung beschlossen worden sein sollte, eine normative und von den Gerichten zu beachtende Bedeutung beizumessen.

Das BMF aber gibt den FA eine dynamische Abkommensauslegung vor.

☞Dies bedeutet, dass immer die aktuelle Fassung des Musterkommentars als Auslegungshilfe für Vorschriften der bilateralen DBA heranzuziehen ist

☞Liegt kein ausdrücklicher Widerspruch der einzelnen Staaten zu Aussagen des Musterkommentares vor, soll davon ausgegangen werden, dass die Staaten analog zum Musterkommentar verfahren

Beachte: Abweichungen sind immer möglich und auch in den mit Deutschland geschlossenen DBA vorhanden = es muss immer zunächst der konkrete DBA-Text geprüft und angewendet werden.

Speziell für Deutschland ist noch zu beachten, dass diverse sog. „treaty override“ bestehen – exemplarisch § 50d.8 EStG. Auf diese „Vorrangstellung“ weist das BMF explizit hin.

Die Indizwirkung des OECD-Kommentars ist für die innerstaatliche Anwendung widerlegt, wenn sich ein anderes Abkommensverständnis aus einem BMF-Schreiben oder einer sonstigen Verwaltungsanweisung ergibt. Die Bindungswirkung von BMF-Schreiben oder anderen Verwaltungsanweisungen für die Finanzverwaltung wird daher durch den OECD-Kommentar nicht berührt.

Dies macht die Beurteilung grenzüberschreitender Sachverhalte nicht einfacher und erhöht die Wahrscheinlichkeit ungewollter Doppelbesteuerungen.

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Quellen: BMF-Schreiben

Autor: Jürgen R. Schott
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