Nachweis der dauernden Berufsunfähigkeit 

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Nachweis der dauernden Berufsunfähigkeit für steuerliche Zwecke

Aktuelle Rechtsprechung zum Nachweis der dauernden Berufsunfähigkeit

In einem aktuellen Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 14.12.2022 (X R 10/21) wurde über den Nachweis der dauernden Berufsunfähigkeit gemäß § 16 Abs. 4 EStG entschieden.

Aussagen des BFH zum Nachweis der dauernden Berufsunfähigkeit

☞Der BFH bestätigte, dass auch nichtamtliche Unterlagen als Nachweis dienen können.

⚠️Für die steuerliche Anerkennung der dauernden Berufsunfähigkeit müssen sowohl die Voraussetzungen des § 240 Abs. 2 SGB VI erfüllt sein als auch nachgewiesen werden, dass der Zustand nicht nur vorübergehend ist.

☞Eine Einzelfallprüfung ist dabei erforderlich, und der BFH erkennt auch nichtamtliche Unterlagen wie Gutachten und Stellungnahmen von Fachärzten und anderen Medizinern an.

Sachverhalt zur vorliegenden Rechtsprechung

Im vorliegenden Fall erzielte die Klägerin Einkünfte aus Gewerbebetrieb durch einen Friseurbetrieb mit Hauptniederlassung und Zweigstelle.

Nach mehreren Jahren mit gesundheitlichen Beschwerden stellte ein Gutachter in einer sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung fest, dass die Klägerin seit dem 06.01.2010 vorübergehend nur drei bis unter sechs Stunden pro Tag als Friseurmeisterin arbeiten konnte. Diese Leistungseinschränkung wurde voraussichtlich mindestens drei Jahre andauern, jedoch wurde eine mögliche Besserung durch eine Hüftendoprothetik nicht ausgeschlossen.

Die Klägerin veräußerte am 11.12.2012 ihre Hauptbetriebstätte zum 01.01.2013 und meldete das Gewerbe aus gesundheitlichen Gründen als Betriebsaufgabe. Die Zweigstelle führte sie vorerst weiter, bis sie diese im Jahr 2014 unentgeltlich auf den Kläger übertrug und das Gewerbe am 30.06.2014 abmeldete. Im Jahr 2013 unterzog sich die Klägerin einer Hüftoperation und absolvierte anschließend eine Umschulung zur Sozialversicherungsangestellten.

Was sagte das FA?

Das Finanzamt erkannte den beantragten Freibetrag gemäß § 16 Abs. 4 EStG nicht an, da aus seiner Sicht der Nachweis der Berufs- und Erwerbsunfähigkeit gemäß § 240 Abs. 2 SGB VI nicht erbracht war.

Das Finanzgericht gab der Klage jedoch statt, woraufhin das Finanzamt Revision einlegte.

Auswirkungen in der Praxis

Das Urteil des BFH betrifft die steuerliche Behandlung des Veräußerungsgewinns bei (Teil-)Betriebsveräußerungen. Gemäß § 16 Abs. 4 EStG wird der Veräußerungsgewinn auf Antrag zur Einkommensteuer nur herangezogen, soweit er 45.000 Euro übersteigt, wenn der Steuerpflichtige das 55. Lebensjahr vollendet hat oder im sozialversicherungsrechtlichen Sinne dauernd berufsunfähig ist. Der Freibetrag verringert sich um den Betrag, um den der Veräußerungsgewinn 136.000 Euro übersteigt.

☞Für das Merkmal der dauernden Berufsunfähigkeit wird auf § 240 Abs. 2 SGB VI verwiesen.

☞Berufsunfähig gilt demnach, wer aufgrund von Krankheit oder Behinderung im Vergleich zu körperlich, geistig und seelisch gesunden Personen mit ähnlicher Ausbildung und gleichen Kenntnissen und Fähigkeiten weniger als sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann.

Die Finanzverwaltung verlangt für den Nachweis der dauernden Berufsunfähigkeit

gemäß den Richtlinien (R16 Abs. 14 EStR) die Vorlage

  • eines Rentenbescheids,
  • einer amtsärztlichen Bescheinigung oder
  • den Nachweis der Leistungspflicht einer privaten Versicherungsgesellschaft, wenn deren Versicherungsbedingungen eine Berufsunfähigkeit von mindestens 50 % oder eine Minderung der Erwerbsfähigkeit auf weniger als sechs Stunden täglich vorsehen.

⚠️Dabei muss die dauernde Berufsunfähigkeit bereits zum Zeitpunkt der Betriebsveräußerung vorliegen, jedoch muss sie nicht deren Ursache sein.

Aber der BFH…

Der BFH erkennt die formalisierten Anforderungen zum Nachweis der voraussichtlich dauerhaften Berufsunfähigkeit nicht an, da sie nicht gesetzlich begründet sind.

⚠️Der BFH lässt grundsätzlich auch nichtamtliche Gutachten oder Stellungnahmen von Ärzten zu.

Wie geht es weiter?

Da zwischen dem ärztlichen Gutachten und der Teilbetriebsveräußerung ein erheblicher zeitlicher Abstand von zwei Jahren besteht, wurde das Verfahren an das Finanzgericht zurückverwiesen. Dieses muss erneut prüfen, ob die dauernde Berufsunfähigkeit im Streitjahr vorlag.
Als Empfehlung wird darauf hingewiesen, dass bei (Teil-)Betriebsveräußerungen, sofern die Steuerpflichtigen das 55. Lebensjahr noch nicht erreicht haben, darauf geachtet werden sollte, medizinische Stellungnahmen zeitnah zur Veräußerung zu erstellen. Es ist zu beachten, dass der BFH auch nichtamtliche Gutachten gemäß dem genannten Urteil akzeptiert, was für die Steuerpflichtigen eine administrative Erleichterung darstellen kann.

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Quelle: BFH-Urteil 

Autor: Jürgen R. Schott
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