Die kurzfristige Beschäftigung osteuropäischer Erntehelfer
Sommerzeit ist Erntezeit und damit kehren auch die saisonalen Arbeitskräfte aus den osteuropäischen Ländern zurück. Seit Jahren sind sie in deutschen Unternehmen, insbesondere in der Landwirtschaft und Gastronomie, tätig, um auf Basis kurzfristiger Beschäftigungsverhältnisse tätig zu werden. Für die Unternehmen ist dies wirtschaftlich attraktiv, da diese Art der Beschäftigung beitragsfrei in der Sozialversicherung ist.
Es ist keine Seltenheit, dass sich die gleichen Aushilfskräfte über viele Jahre hinweg wiederholt in Deutschland einfinden. Durch die langjährige Zusammenarbeit kennt man sich gut, schätzt sich gegenseitig und die Mitarbeiter wissen genau, was zu tun ist. Doch hier stellt sich die Frage, ob diese Praxis tatsächlich mit den Regelungen des Sozialgesetzbuches konform ist.
Kürzlich beschäftigte sich das Sozialgericht in Landshut genau mit einem solchen Fall und fällte ein Urteil, das für betroffene Arbeitgeber in Deutschland von großer Bedeutung ist. Es ist dringend anzuraten, dieses Urteil zu kennen und entsprechend umzusetzen.
Die rechtliche Situation in Bezug auf saisonale Arbeitskräfte und kurzfristige Beschäftigungsverhältnisse ist komplex und sollte nicht leichtfertig ignoriert werden. Es ist möglich, dass langjährige Einsätze derselben Arbeitskräfte in Deutschland als reguläre Beschäftigungsverhältnisse eingestuft werden könnten, was zu einer Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen führen könnte. Dies hätte finanzielle Konsequenzen für die Arbeitgeber zur Folge.
⚠️Dabei geben die osteuropäischen Aushilfskräfte oft an, dass sie in ihrer Heimat Hausfrau bzw. Hausmann sind⚠️
Rechtsgrundlage für die kurzfristige Beschäftigung
Gemäß § 8 Absatz 1 Nr. 2 des Sozialgesetzbuches (SGB IV) fällt eine Beschäftigung unter die Kategorie der geringfügigen Beschäftigung, im Sinne einer kurzfristigen Beschäftigung, wenn sie bestimmte Voraussetzungen erfüllt. Diese Regelung besagt, dass die Beschäftigung innerhalb eines Kalenderjahres auf längstens
- drei Monate oder
- 70 Arbeitstage
begrenzt sein sollte, entsprechend ihrer üblichen Art, es sei denn, sie wurde von vornherein vertraglich begrenzt. Ein weiterer Aspekt ist, dass die Beschäftigung nicht berufsmäßig ausgeübt wird und das Entgelt die Geringfügigkeitsgrenze nicht überschreitet.
Zusammengefasst müssen also zwei Grundvoraussetzungen gegeben sein, um als beitragsfreie kurzfristige Beschäftigung zu gelten:
☞Ausreichende Befristung: Die Beschäftigung muss innerhalb eines Kalenderjahres auf längstens drei Monate oder 70 Arbeitstage nach ihrer Eigenart begrenzt sein, es sei denn, es wurde von Anfang an vertraglich eine kürzere Dauer vereinbart.
☞Ausschluss der Berufsmäßigkeit: Die Beschäftigung darf nicht berufsmäßig ausgeübt werden. Dies bedeutet, dass sie nicht als Hauptberuf oder dauerhafte Tätigkeit anzusehen ist.
Rechtsfrage
Angesichts dieser Situation taucht für die jährlich regelmäßig wiederkehrenden osteuropäischen Saisonarbeitskräfte die Frage auf, ob eine Regelmäßigkeit, die über das Kalenderjahr hinausreicht, Auswirkungen auf die Beurteilung als kurzfristige Beschäftigung hat.
Aktuelle Rechtsprechung zur kurzfristigen Beschäftigung
Das SG Landshut ging in seinem Urteil vom 09.03.2023 von folgenden Prämissen aus:
⚠️Ein bloßes Ankreuzen des Feldes Hausmann im Fragebogen zur Feststellung der Versicherungspflicht/Versicherungsfreiheit rumänischer Saisonarbeitnehmer führt nicht per se zur unwiderleglichen Vermutung des Status als Hausmann und damit zum versicherungsfreien und beitragsfreien Beschäftigten.
⚠️Verpflichtet ein Arbeitgeber etwa für die Spargelernte jedes Jahr wiederkehrend gleiche Beschäftigte, handelt es sich gerade nicht um kurzfristige Beschäftigungen, sondern vielmehr um regelmäßig wiederkehrende zeitlich befristete Beschäftigungen.
Auswirkungen für die Praxis
Betroffene Arbeitgeber sollten diese rechtliche Einschätzung unbedingt zur Kenntnis nehmen und entsprechend im Unternehmen umsetzen. Es ist wichtig zu beachten, dass Arbeitgeber rechtlich nur begrenzte Möglichkeiten haben, die wirtschaftliche Situation ihrer Mitarbeiter zu überprüfen – sie können diese zwar befragen, jedoch keine weiteren Schritte unternehmen, um die Angaben zu verifizieren. Dies gilt auch für die Deutsche Rentenversicherung (DRV), die keine weiteren Ermittlungsbefugnisse hat.
Angesichts der oben genannten Rechtsprechung wird nun dringend davon abgeraten, jedes Jahr wiederkehrend auf die gleichen (ausländischen) Aushilfen im Rahmen einer (geplanten) kurzfristigen Beschäftigung zurückzugreifen. Es ist wichtig zu berücksichtigen, dass diese Praxis möglicherweise nicht mehr den gesetzlichen Anforderungen entspricht und rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen könnte. Auch wenn dies in der Praxis möglicherweise nicht immer einfach umzusetzen ist, ist es ratsam, Alternativen zu prüfen und sich rechtlich abgesichert zu positionieren.
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Kurzfristig Beschäftigte in der SV
Quellen:
SG Landshut
Autor: Jörg Romanowski
Vita und Seminare
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