Offenbare Unrichtigkeit
Rechtsfrage: Wann gilt eine Unrichtigkeit als offenbar?
Aktuelle Rechtsprechung zur offenbaren Unrichtigkeit
Im Zusammenhang mit gewerbesteuerlichen Kürzungen hat sich das Finanzgericht Münster in seinem Urteil vom 14.06.2023 (Az. 9 K 2189/20 G) mit der offenbaren Unrichtigkeit auseinander gesetzt. Danach liegt eine offenbare Unrichtigkeit im Sinne von § 129 AO vor,
☞ wenn ein Sachbearbeiter im Finanzamt keine Kürzung gemäß § 9 Nr. 2a GewStG (sogenannte Schachtelbeteiligung) vornimmt, weil eine entsprechende Angabe in der Steuererklärung versehentlich fehlt.
Rechtsauffassung des FG
Das Finanzgericht Münster argumentierte, dass in diesem Fall nicht ausgeschlossen werden kann, dass dem Sachbearbeiter ein Fehler in Bezug auf Tatsachen oder die Anwendung von Rechtsvorschriften unterlaufen ist.
Es könnte auch ein Tatsachenirrtum vorliegen, wenn der Sachbearbeiter Sachverhalte falsch interpretiert oder aus vorhandenen Informationen falsche Schlussfolgerungen zieht.
Weitere Details finden sich in den Abschnitten 43-48 des Urteils des Finanzgerichts.
Ergebnis
Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die Unrichtigkeit in der Steuererklärung auch nicht offensichtlich war, da die betreffende Beteiligung weder in den Steuererklärungen noch in den Gewinnermittlungen oder Bilanzen eindeutig als begünstigte Beteiligung erkennbar war.
Selbst bei der Erstellung und Überprüfung eines Betriebsprüfungsberichts, in dem die Kürzung der Beteiligung nicht berücksichtigt wurde, sah das Gericht keine offensichtliche Unrichtigkeit gemäß § 129 AO.
Weitere Details finden sich in den Abschnitten 49-57 des Urteils des Finanzgerichts.
Das Finanzgericht schloss auch die Möglichkeit eines Schreib- oder Rechenfehlers gemäß § 173a AO aus, da der Fehler mehrfach wiederholt wurde (in den Steuererklärungen 2014 und 2015 sowie im Antrag auf Herabsetzung der Vorauszahlungen für 2015).
⚠️Insgesamt führte dies dazu, dass die Beteiligungseinkünfte von Kapitalgesellschaften (Beteiligung über 15 Prozent) nicht zu 100 Prozent, sondern nur zu 40 Prozent steuerfrei blieben.
elektronisch übermittelte Daten
Im Fall elektronisch übermittelter Daten hat das Finanzgericht Münster in seinem Urteil vom 14.08.2023 (Az. 8 K 294/23 E) die Ansicht vertreten, dass ein Steuerbescheid bei fehlerhafter Berücksichtigung elektronisch übermittelter Daten gemäß § 175b AO unabhängig von der Fehlerquelle geändert werden kann.
Dies gilt auch dann, wenn der Fehler genauso aufgetreten wäre, wenn die Daten in Papierform vorliegen würden.
Im konkreten Streitfall wurde eine Abfindung in der elektronisch übermittelten Lohnsteuerbescheinigung innerhalb des Bruttoarbeitslohns erfasst. In der Einkommensteuererklärung wurde der Bruttoarbeitslohn jedoch irrtümlicherweise um die Abfindung gekürzt, was zu einer zu niedrigen Angabe der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit führte. Das Finanzamt übernahm diesen Fehler aus der Erklärung in die Steuerfestsetzung, trotz einer entsprechenden Warnmeldung im System.
Das Finanzgericht Münster hielt die spätere Korrektur des Steuerbescheids durch das Finanzamt für rechtmäßig, da die Voraussetzungen für eine Änderung gemäß § 175b Abs. 1 EStG erfüllt waren (richtige, übermittelte Daten wurden bei der Steuerfestsetzung nicht oder nicht korrekt berücksichtigt). Nach Ansicht des Gerichts spielt es daher keine Rolle, dass der Fehler auf einer falschen Entscheidung des Sachbearbeiters beruhte.
Revision anhängig
Es wird jedoch berichtet, dass gegen diese Entscheidung noch eine Revision beim Bundesfinanzhof (Az. IX R 20/23) anhängig ist. Wenn der Bundesfinanzhof die Ansicht des Finanzgerichts bestätigt, wird dieser Änderungsnorm aufgrund der zahlreichen Datenübermittlungen gemäß § 93c AO eine hohe Bedeutung beigemessen.
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Quelle:
Autor: Jürgen R. Schott
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