Neues zur Erbschaftsteuerbefreiung für Familienheime
Rechtsfrage zur Erbschaftsteuerbefreiung
Die Frage der engen Auslegung der Erbschaftsteuerbefreiung für Familienheime in Bezug auf wirtschaftliche Einheiten, Grundstücke, Flurstücke oder Teilflächen wurde durch ein Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 12.07.2023 (Aktenzeichen: 3 K 14/23) aufgeworfen.
Entscheidung des FG Niedersachsen
☞In diesem Urteil wurde entschieden, dass die erbschaftsteuerliche Begünstigung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG (für den Erwerb eines Familienheims von Todes wegen durch Kinder) nicht auf das gesamte zivilrechtliche Grundstück, sondern nur auf die Grundfläche des bebauten Flurstücks anwendbar ist.
Das Niedersächsische Finanzgericht vertritt die Ansicht, dass bei größeren Flurstücken möglicherweise nur eine angemessene Zubehörfläche unter den verfassungsrechtlichen Schutz des gemeinsamen familiären Lebensraums fällt. Dies könnte bedeuten, dass die Steuerbefreiung im Zweifelsfall nur für einen Teil des bebauten Flurstücks gilt⚠️.
Revision beim BFH anhängig
Da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, hat das Finanzgericht die Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) zugelassen, die bereits unter dem Aktenzeichen II R 27/23 anhängig ist.
Empfehlung für die Praxis
☞In den betroffenen Fällen wird empfohlen, die Verfahren unter Berufung auf die ausstehende Entscheidung des BFH offen zu halten. Gemäß § 363 Abs. 2 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) ruhen Einspruchsverfahren dann.
Es ist wichtig zu beachten, dass § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG zwar die Steuerbefreiung für Familienheime gewährt, jedoch keine Begrenzung für die Größe des vererbten Grundstücks enthält.
Wenn der BFH die Ansicht des Niedersächsischen FG bestätigt, könnte dies auch Auswirkungen auf andere Steuerbefreiungen für Familienheime haben, insbesondere auf Zuwendungen zwischen lebenden Ehegatten gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG und den Erwerb von Todes wegen durch Ehegatten gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG.
☞Derzeit gibt es keine Schenkungsteuerbefreiung für die Schenkung von Familienheimen an Kinder.
Sachverhalt beim FG Niedersachsen
Im vorliegenden Fall hatte der Kläger durch Erbschaft sechs Flurstücke erworben, von denen fünf zivilrechtlich im Grundbuch als ein einziges Grundstück zusammengefasst waren. Das für die Bewertung zuständige Finanzamt fasste jedoch nur drei der fünf vereinigten Flurstücke als wirtschaftliche Einheit zusammen und bestimmte einen Gesamtwert für diese Einheit. Es wurde darauf hingewiesen, dass die Steuerbefreiung für das Familienheim möglicherweise nur für das bebaute Flurstück gewährt werden könnte⚠️.
Infolgedessen gewährte das Finanzamt die Steuerbefreiung tatsächlich nur für das bebaute Flurstück, weder für das gesamte Grundstück (bestehend aus 5 Flurstücken) noch für die gesamte wirtschaftliche Einheit (bestehend aus 3 Flurstücken)⚠️.
FG hat Klage abgewiesen
Die Klage zur Berücksichtigung der Steuerbefreiung zumindest für die drei Flurstücke der wirtschaftlichen Einheit hatte vor dem FG keinen Erfolg.
- Das Niedersächsische FG argumentiert in seiner Entscheidung, dass die Beurteilung des Umfangs der Steuerbefreiung für ein Familienheim weder vom Zivilrecht noch vom Bewertungsrecht abhängt.
- Dennoch sind bewertungsrechtliche Feststellungen zur wirtschaftlichen Einheit für das für die Erbschaftsteuer zuständige Finanzamt zumindest nach oben hin bindend.
- Das Finanzamt hat jedoch das Recht, nur einen Teil der wirtschaftlichen Einheit für Erbschaftsteuerzwecke als Familienheim zu begünstigen.
- Dies geschieht, um mögliche Doppelbegünstigungen von nahen Familienmitgliedern zu verhindern, die sich aus hohen Freibeträgen und der Befreiung des Familienheims ergeben könnten.
- Die Steuerbefreiung sollte daher auf eine katastermäßig kleinere Grundstücksfläche (Flurstück) beschränkt werden, und wenn diese nicht gegeben ist, könnte die Steuerbefreiung auf einen Teil des Flurstücks begrenzt sein.
Vorausgehende Rechtsprechung
Die Frage, ob es auf die wirtschaftliche Einheit im Sinne des Bewertungsgesetzes oder auf das zivilrechtliche Grundstück ankommt, wurde auch in einem BFH-Urteil vom 23.02.2021 (Aktenzeichen: II R 29/19) diskutiert. Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG sind Grundstücke gemäß § 181 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BewG begünstigt. Die Vorschrift enthält jedoch keine genaue Definition des Umfangs der Begünstigung in Bezug auf den zu der Wohnung gehörenden Grund und Boden.
☞Der BFH stellte seinerzeit fest, dass sowohl das Grundstück im zivilrechtlichen Sinne als auch die wirtschaftliche Einheit im Sinne des § 2 Abs. 1 BewG in Betracht kommen können.
Abgrenzung: Im vorliegenden Fall vor dem BFH handelte es sich jedoch zivilrechtlich um zwei verschiedene Grundstücke, weshalb die Frage, ob die Begünstigung auf die wirtschaftliche Einheit oder das zivilrechtliche Grundstück anwendbar ist, damals nicht entscheidend war.
Fazit
Im anhängigen Revisionsverfahren II R 27/23 wird der BFH schließlich darüber entscheiden müssen, ob die Begünstigung auf die wirtschaftliche Einheit oder das zivilrechtliche Grundstück anwendbar ist. Es wird auch interessant sein zu sehen, ob der BFH die Ansicht des Niedersächsischen FG teilt, dass bei großen Flurstücken möglicherweise nur ein angemessener Teil als Familienheim anerkannt werden sollte.
In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist zu beachten, dass das Finanzamt, das für die Bewertung der wirtschaftlichen Einheit zuständig ist, nicht befugt ist, über die Erbschaftsteuerbefreiung zu entscheiden.
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Autor: Jürgen R. Schott
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