Abgrenzung Passiver RAP oder doch erhaltene Anzahlung oder Rückstellung?
Passive Rechnungsabgrenzung erhaltener Zahlungen bei zeitraumbezogenen Leistungen
Neue BFH-Rechtsprechung
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seinem Urteil vom 26.07.2023 (IV R 22/20) wichtige Erklärungen zur Gewinnabgrenzung bei langfristigen Projekten gemacht.
Klarstellung
☞Im Hinblick auf die passive Rechnungsabgrenzung wurde klargestellt, dass die Festlegung einer “bestimmten Zeit” als Tatbestandsvoraussetzung (Rechnungsabgrenzungsposten, kurz RAP) auf “allgemeingültigen Maßstäben” basieren muss.
☞Dies ist nicht der Fall, wenn die angewendeten Maßstäbe auf Entscheidungen des Steuerpflichtigen beruhen, die geändert werden könnten.
Im Gegensatz dazu kann eine erhaltenen Zahlung für eine noch ausstehende leistungsbezogene Periode nicht optional als erhaltene Anzahlung behandelt werden.
Sachverhalt:
Der vorliegende Fall betrifft eine Projektentwicklungsgesellschaft, die mehrjährige Immobilienprojekte durchgeführt hat. Sie schloss mit den Projektgesellschaften Projektentwicklungsverträge ab und erhielt Pauschalhonorare, die auf die voraussichtliche Dauer des jeweiligen Projekts aufgeteilt wurden. Bei Verzögerungen verlängerte sich die Vertragslaufzeit automatisch, ohne dass das Pauschalhonorar automatisch erhöht wurde.
Die Klägerin unterteilte die Projekte in fünf Phasen, denen sie jeweils einen Anteil an der Gesamtleistungserbringung zuwies:
1. Akquisition: 0%,
2. Initiierung: 15%,
3. Vorbereitung: 35%,
4. Durchführung: 45% und
5. Nachlauf: 5%.
Für das Streitjahr 2008 wurden auf dieser Grundlage Pauschalhonorare von mehr als 5,6 Millionen Euro als passive RAP behandelt.
FA erkennt RAP nicht an
Weder das Finanzamt noch das Finanzgericht erkannten den RAP an; sie behandelten die Zahlungen als Umsatzerlös und berücksichtigten lediglich eine Rückstellung in Höhe von 2,5 Millionen Euro.
Entscheidung des BFH:
Der BFH wies die Revision als unbegründet zurück. Weder lagen die Voraussetzungen für einen passiven RAP (Absätze 16-29 des Urteils) noch für erhaltene Anzahlungen (Absätze 30-33 des Urteils) vor.
Aufgrund fehlender Dokumentation⚠️ (z.B. Kostenrechnungen, Kostenstellenplanungen, Budgetplanungen, Nachweise zur Gewichtung der Anteile der einzelnen Phasen und sonstige Aufzeichnungen) blieb auch die berücksichtigte Rückstellung unverändert (Absätze 34-41 des Urteils).
⚠️Kein passiver RAP:
Nach dem BFH ist es für die Anerkennung als RAP zwar nicht schädlich, wenn die Gegenleistung zunächst für einen genau festgelegten Zeitraum geschuldet wird, die Dauer der Leistungserbringung jedoch tatsächlich von der ursprünglichen Festlegung abweicht. In diesem Fall muss die Laufzeit jedoch kontinuierlich an die veränderte Vertragslaufzeit angepasst werden.
⚠️Die Aufteilung darf jedoch nicht auf Schätzungen beruhen (Zeitpunkt und Gewichtung der Wertschöpfung), die keine “allgemeingültigen Maßstäbe” haben und daher nicht von externen Prüfern nachvollzogen werden können.
Im vorliegenden Fall erfolgte die Aufteilung nach Phasen und Prozentsätzen, die nicht in den Verträgen festgelegt waren. Außerdem war die Zeitspanne der Leistungserbringung unzureichend festgelegt und wurde willkürlich geändert. Selbst eine nachträglich vorgelegte gutachterliche Stellungnahme konnte daran nichts ändern, da sie nur auf langjährigen Erfahrungen und einer von der Unternehmensgruppe entwickelten Systematik basierte.
⚠️Keine Anzahlungen:
Nach dem BFH ist eine zu passivierende Anzahlung weder zeitlich festgelegt noch von einer leistungsbezogenen Zeitspanne abhängig. Wenn die Leistung, für die die Zahlung erfolgt, auf einen Zeitraum bezogen ist und nicht auf einen Zeitpunkt, kann die Passivierung der Zahlung nur in Form eines passiven RAP gemäß § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erfolgen und nicht als Anzahlung gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG in Verbindung mit § 266 Abs. 3 Abschnitt C Nr. 3 des Handelsgesetzbuches (HGB).
Hinweis:
Diese Erläuterungen des BFH könnten zu Missverständnissen führen. In anderen Fällen, bei denen Leistungen über einen kurzen Zeitraum erbracht werden (z.B. kurzfristige Vermietung von Fahrzeugen, Hotelzimmern usw.), werden diese weiterhin als erhaltene Anzahlungen betrachtet. Rechnungsabgrenzungsposten beziehen sich in der Regel nur auf langfristige Sachverhalte (insbesondere bei Leistungen über mehrere Jahre), während Anzahlungen in der Regel einmalige Transaktionen (Reservierungen oder Bestellungen mit Anzahlungen usw.) betreffen.
Hinweise und Empfehlungen:
Die Verwendung von passiven RAP oder erhaltene Anzahlungen hat im Vergleich zur buchhalterischen Erfassung von Zahlungen mit Rückstellungen zur Folge, dass die Zahlungen bis zur tatsächlichen Leistungserbringung erfolgsneutral behandelt werden können. Dies hat den Vorteil der Steuerstundung und kann bei positiven Progressionseffekten sogar Steuerersparnisse bringen, birgt aber auch den Nachteil schlechterer Bilanzkennzahlen. Diese Auswirkungen kehren sich im Laufe der Vertragslaufzeit und Leistungserbringung um.
Die Entscheidung des BFH verdeutlicht jedoch, dass in bedeutenden Fällen eine sorgfältige Dokumentation erforderlich ist, die von Prüfern nachvollzogen werden kann. Im Zweifelsfall ist auch eine eingehende Auseinandersetzung mit aktueller Fachliteratur notwendig, um zu entscheiden, ob die Vorteile eines passiven RAP oder einer Anzahlung im Vergleich zur buchhalterischen Erfassung mit Rückstellungen tatsächlich genutzt werden können.
Im Falle von erhaltenen Anzahlungen ist in der Regel auch eine Bewertung der unfertigen Leistungen erforderlich, wodurch der Effekt im Vergleich zur passiven Rechnungsabgrenzung geringer ausfällt. Denn die passive Rechnungsabgrenzung schließt unfertige Leistungen in der Regel aus.
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Jahresabschluss Kapitalgesellschaften
Quelle: BFH-Urteil vom 26.07.2023
Autor: Jürgen R. Schott
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