Dozenten und Lehrer in der SV
Auch die rechtliche Beurteilung beim Einsatz von freien Dozenten und Lehrern in der SV bereitet oft Schwierigkeiten.
Insbesondere bei Statusanfragen und bei Betriebsprüfungen der Deutschen Rentenversicherung (= DRV) werden immer wieder Fragen zur sv-rechtlichen Beurteilung bestimmter Mitarbeiter aufgeworfen. So geht es in der Praxis zum Beispiel auch häufig darum zu klären:
- wann die im Unternehmen eingesetzten Lehrer und Dozenten als abhängig Beschäftigte der Sozialversicherungspflicht (= SV-Pflicht) unterliegen und
- wann diese als selbständig Tätige gelten.
Tatsächlich sind beide Fallgestaltungen in der Praxis anzutreffen und können im Einzelfall so auch rechtlich korrekt sein. Es kommt eben – wie immer in der Sozialversicherung – auf den Einzelfall an.
Der erste Fall wird in der Praxis auch Scheinselbständigkeit genannt und stellt für die auftraggebenden Unternehmen oft ein gravierendes Problem dar.
Neues BSG-Urteil zu Dozenten und Lehrern in der SV
In Bezug auf eine Musikschullehrerin an einer städtischen Musikschule hat das BSG nun seine Rechtsprechung zur sv-rechtlichen Beurteilung von Lehrern/Dozenten weiterentwickelt. Die bereits schon zuvor hervorgehobene Bedeutung des Kriteriums der betrieblichen Eingliederung wurde nun auch bei der Beurteilung dieser Berufsgruppen angewandt.
Hier hatte das BSG jüngst eine (Musikschul)-Lehrerin als scheinselbständig angesehen. Ihre Tätigkeit war durch die Verpflichtung zur persönlichen Arbeitsleistung in festgelegten Räumen gekennzeichnet ist. Sie war maßgeblich in die organisatorischen Abläufe der Musikschule eingebunden, einschließlich der kostenfreien Bereitstellung von Räumlichkeiten und Instrumenten sowie der alleinigen Interaktion mit den Schülern nach außen hin.
Der Umstand, dass nahezu keine unternehmerischen Gestaltungsmöglichkeiten bestehen, sprach gegen die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit. Dies beinhaltet insbesondere:
- die fehlende Möglichkeit, im Rahmen des Vertrags eigene Schülerinnen und Schüler zu gewinnen und
- eigenständig Unterricht auf eigene Rechnung zu erteilen, sowie
- die Tatsache, dass die geschuldete Lehrtätigkeit nicht von anderen Personen erbracht werden kann.
Reaktion der SV-Träger
Diese aktuelle Rechtsprechung des BSG führte zu einer Neujustierung der sv-rechtlichen Beurteilung von Lehrern/Dozenten.
Nunmehr gelten Lehrer, Dozenten und Lehrbeauftragte an Universitäten, Hochschulen, Fachschulen, Volkshochschulen, Musikschulen und anderen Bildungseinrichtungen, einschließlich privater Einrichtungen, unter folgendem Bedingungen als abhängig Beschäftigte dieser Bildungseinrichtungen:
- Es besteht eine Pflicht zur persönlichen Arbeitsleistung.
- Die Unterrichtszeiten und -räume werden von der Bildungseinrichtung festgelegt, entweder einzeln vertraglich oder durch Stundenpläne.
- Der Lehrkraft fehlt Einfluss auf die zeitliche Gestaltung ihrer Lehrtätigkeit.
- Es besteht eine Meldepflicht im Falle von Unterrichtsausfall aufgrund eigener Erkrankung oder anderer Verhinderungen.
- Es wird ein Ausfallhonorar für unverschuldeten Unterrichtsausfall gezahlt.
- Die Lehrkraft ist verpflichtet, gesonderte Schülerveranstaltungen vorzubereiten und durchzuführen.
- Es besteht eine Verpflichtung zur Teilnahme an Lehrer- und Fachbereichskonferenzen oder ähnlichen dienstlichen oder fachlichen Veranstaltungen der Schule oder Bildungseinrichtung, ohne dass eine gesonderte Vergütung im Widerspruch zur Orientierung an der Arbeitszeit steht.
- Die Lehrkraft kann den Unterricht zwar inhaltlich gestalten, jedoch nicht in typischer Weise unternehmerisch tätig sein. Dies gilt insbesondere, wenn keine eigene betriebliche Organisation vorhanden ist, kein Unternehmerrisiko besteht, keine unternehmerischen Chancen genutzt werden können (z. B. durch die Akquise eigener Schüler oder die eigenständige Abrechnung des Unterrichts), und die geschuldete Lehrtätigkeit nicht von Dritten erbracht werden kann.
Diese präzisierten (und strengeren) Kriterien zur Statusfeststellung wenden die SV-Träger spätestens ab dem 1. Juli 2023 an, auch in bereits laufenden Fällen.
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Quelle: BSG-Urteil vom 28.06.2022
Autor: Jörg Romanowski
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