Übergangsgewinn als Gefahrenpunkt bei KV und PV! Wahlrecht genau prüfen!
Aktuelle Rechtsprechung zum Übergangsgewinn
Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hat in seinem Urteil vom 25.09.2023 (L 4 KR 1768/20) klargestellt, dass ein Übergangsgewinn beim Wechsel von der Einnahmen-Überschuss-Rechnung zur Bilanzierung als Arbeitseinkommen betrachtet wird.
⚠️Daher unterliegt er grundsätzlich der Beitragspflicht für freiwillig Krankenversicherte.
Übergangsgewinn als beitragspflichtige Einnahme
Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB IV wird das sozialversicherungsrechtliche Arbeitseinkommen als Gewinn aus selbständiger Tätigkeit definiert und entsprechend den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts festgesetzt. Diese Regelung schließt auch den Übergangsgewinn ein, der als Einkünfte im Sinne des Einkommensteuergesetzes betrachtet wird – eine Zunahme des Betriebsvermögens, die sich während der Periode der Einnahme-Überschuss-Rechnung noch nicht gewinnerhöhend ausgewirkt hat.
⚠️Der Übergangsgewinn unterliegt weder gesetzlich noch durch andere spezifische Regelungen einer Befreiung von der Beitragspflicht.
⚠️Daher kann er nach dem Beitragsrecht nicht einkommensmindernd berücksichtigt werden.
Nähere Details sind in der Entscheidung des Landessozialgerichts zu finden.
☞Die gesetzlich vorgeschriebene Parallelität von Einkommensteuer- und Sozialversicherungsrecht gemäß § 15 Abs. 1 SGB IV lässt keinen erkennbaren Grund dafür, warum die nach R. 4.6 Abs. 1 S. 2 EStR verteilten Übergangsgewinne bei der Beitragsbemessung unberücksichtigt bleiben sollten.
☞Diese nachteilige Auswirkung der Verteilung des Übergangsgewinns ist somit eine zwangsläufige Folge des gesetzlich festgelegten Vorrangs der steuerlichen Gewinnermittlung.
Einordnung und Handlungsempfehlung
Im Falle eines entstehenden Übergangsgewinns bei einem Wechsel der Gewinnermittlungsart (vom Bestandsvergleich zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG, jedoch nicht umgekehrt – siehe H 4.6 EStH) könnte es sinnvoll sein, steuerlich auf die Verteilung über drei Jahre zu verzichten.
Dadurch ließe sich die Beitragsbemessungsgrenze optimieren und die KV/PV-Beiträge ließen sich begrenzen.
Allerdings sind dabei die nachteiligen Progressionseffekte zu berücksichtigen. Ebenso sollte beachtet werden, dass die höheren KV/PV-Beiträge als Basisvorsorge in voller Höhe als Vorsorgeaufwendungen geltend gemacht werden können.
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Beispiel:
Im Jahr 2023 entsteht bei einem zu versteuernden Einkommen von 50.000 € eine Einkommensteuer von 11.343 €. Der Übergangsgewinn wird auf 30.000 € geschätzt. Die Beitragsbemessungsgrenze in der gKV beträgt 59.850 €.
Variante 1:
Bei Verteilung des Übergangsgewinns über drei Jahre (10.000 € pro Jahr bzw. zu versteuerndes Einkommen von jeweils 60.000 €) entsteht eine Einkommensteuer von 15.242 €. Das bedeutet jährlich 3.899 € mehr Einkommensteuer (15.242 € – 11.343 €); über drei Jahre also insgesamt 11.697 € (3 x 3.899 €).
Die Krankenversicherung zieht zusätzlich 1.990 € pro Jahr an (zusätzliches beitragspflichtiges Einkommen: 9.850 € / Beitragssatz: Gesamt: 20,2 %; KV: 16,2 % = 14,6 % + 1,6 % Zusatzbeitrag; PV: 4 %); über drei Jahre also insgesamt 5.970 € (3 x 1.990 €).
Durch die zusätzliche Basisabsicherung (zu versteuerndes Einkommen: 58.010 €) verringert sich die Einkommensteuer jedes Jahr um 807 € (15.242 € – 14.435 €); über drei Jahre also insgesamt -2.421 € (3 x 807 €).
Die Gesamtbelastung beträgt somit 15.246 € (11.697 € + 5.970 € – 2.421 €).
Variante 2:
Beim Verzicht auf die Verteilung über drei Jahre (Sofortversteuerung) beträgt das zu versteuernde Einkommen im ersten Jahr 80.000 € (und bleibt in den Folgejahren unverändert bei 50.000 €). Somit entstehen im ersten Jahr Steuern von 24.351 € (einschließlich 724 € Solidaritätszuschlag). Auf die 30.000 € entfallen somit 13.008 € Mehrsteuern (24.351 € – 11.343 €).
Hinzu kommt einmalig die Kranken- und Pflegeversicherung (bis zur Beitragsbemessungsgrenze) von 1.990 €.
Durch die zusätzliche Basisabsicherung (zu versteuerndes Einkommen: 78.010 €) verringert sich die Einkommensteuer einmalig um -935 € (24.351 € – 23.416 €).
Die Gesamtbelastung beträgt somit 14.063 € (13.008 € + 1.990 € – 935 €).
Ergebnis:
Im vorliegenden Fall ergibt sich durch den Verzicht auf die Verteilung über drei Jahre eine Gesamtersparnis von 1.183 €.
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Sofern die Einkünfte ohne den Übergangsgewinn oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze liegen, entstehen keine zusätzlichen KV/PV-Beiträge. In solchen Fällen dürfte die Verteilung über drei Jahre in der Regel vorteilhaft sein.
Gleiches gilt, wenn der gesamte Übergangsgewinn innerhalb der Beitragsbemessungsgrenze liegt, da eine Verteilung auf drei Jahre in der Regel keinen Effekt auf die absolute Höhe der KV/PV-Beiträge haben dürfte.
Für die Beratungspraxis ist das Wahlrecht somit genau zu beleuchten.
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Quelle: LSG-Urteil
Autor: Jürgen R. Schott
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