Zeitpunkt für den Abzug der Vorsteuer gemäß EU-Recht bestätigt durch BFH
Praxisfrage: die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt für den Abzug der Vorsteuer ist in vielen Unternehmen sehr bedeutsam!
Rechtsprechung zum Vorsteuerabzug
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seinem Urteil vom 12.07.2023 (XI R 5/21) die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 10.02.2022 (C-9/20) bekräftigt.
☞Demnach wurde das Recht auf Vorsteuerabzug gemäß Art. 167 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) in Deutschland durch § 20 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) fehlerhaft umgesetzt.
☞Art. 167 der MwStSystRL verknüpft das Recht auf Vorsteuerabzug mit dem Zeitpunkt, zu dem der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht (Artikel 167: “Das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht.”).
☞Daher kann es nicht als missbräuchlich betrachtet werden (ohne Gefahr für das Steueraufkommen), wenn der Leistungsempfänger das Recht auf Vorsteuerabzug geltend macht, bevor die Umsatzsteuer beim Leistenden aufgrund der Ist-Besteuerung erst bei Vereinnahmung des Entgelts entsteht.
Früher hat der Gesetzgeber oft versucht, Steuergestaltungen, die diesen Vorteil ausnutzen, durch die Erweiterung des Reverse-Charge-Verfahrens zu unterbinden.
Hintergrund
Hintergrund: Der EuGH hat mit seinem Urteil vom 10.02.2022 (C-9/20) festgestellt, dass der Zeitpunkt für den Vorsteuerabzug nach deutschem Umsatzsteuerrecht im Falle der Ist-Versteuerung des Leistenden gegen das Unionsrecht verstößt⚠️.
Aktueller Sachverhalt beim BFH
Sachverhalt
In dem vorliegenden Fall hatte ein Unternehmer die Vorsteuer aus einem Leistungsbezug (Mietverhältnis) von einem Ist-Versteuerer erst nach mehrjähriger Stundung im Zeitpunkt der tatsächlichen Zahlung geltend gemacht.
Auffassung der Finanzverwaltung
Da der Vorsteuerabzug gemäß nationalem deutschem Umsatzsteuerrecht bereits beim Leistungsbezug (in einem vorangegangenen, festsetzungsverjährten Besteuerungszeitraum) hätte erfolgen müssen, verweigerte das Finanzamt den Vorsteuerabzug im Besteuerungszeitraum der Zahlung.
FG Hamburg
Das Finanzgericht Hamburg hatte jedoch Bedenken hinsichtlich der nationalen Regelung und legte die Angelegenheit dem EuGH vor.
EUGH-Entscheidung
Der EuGH sieht in der deutschen Regelung zum Vorsteuerabzug beim Leistungsbezug von Ist-Versteuerern einen Verstoß gegen EU-Recht. Denn gemäß Art. 167 der MwStSystRL ist der Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers im Wesentlichen erst dann zulässig, wenn auch der Leistende den Umsatz versteuern muss (bei Ist-Versteuerung also erst zum Zeitpunkt der Zahlung des Rechnungsbetrags). Im vorliegenden Fall wäre der Vorsteuerabzug daher erstmals im Jahr der Zahlung möglich gewesen; der Vorsteuerabzug war im vorliegenden Fall unter Berufung auf EU-Recht somit noch nicht festsetzungsverjährt.
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Quellen:
Autor: Jürgen R. Schott
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