Hinweispflichten der Steuerberater zum SV-Recht
Diese Fragen tauchen in der täglichen Praxis in einer Steuerberatungskanzlei oft auf:
- Habe ich Hinweispflichten zum SV-Recht?
- Kann und darf ich Mandanten im SV-Recht beraten?
- Wie weit darf die Betreuung der Mandanten in sv-rechtlicher Sicht im Steuerbüro gehen?
Aktuelle Rechtsprechung
Der BGH hat sich jüngst mit Urteil vom 08.02.2024 – IX ZR 137/22 mit genau solchen Fragen auseinandergesetzt.
Worum ging es – Sachverhalt
Die Klägerin ist eine im Jahr 2013 gegründete Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Ihre drei Gesellschafter ließen
sich bei der Gründung von der Handwerkskammer sowie von einem Versicherungsmakler beraten. Der am 21. Oktober 2013 beurkundete Gesellschaftsvertrag sah eine
- Beteiligung der Gesellschafter zu gleichen Teilen vor.
- Die Beschlussfassung war mit einfacher Mehrheit möglich.
- Eine Sperrminorität zugunsten eines Gesellschafters war nicht vorgesehen.
- Die drei Gesellschafter waren zugleich als Geschäftsführer angestellt.
Steuerbüro übernimmt die Buchführung
Die Beklagt ist eine aus Rechtsanwälten und Steuerberatern bestehende Partnerschaftsgesellschaft, welche die Anstellungsverträge der Geschäftsführer entworfen und von dem Inhalt des Gesellschaftsvertrags Kenntnis hatte Seit der Gründung der Klägerin war die beklagte Steuerkanzlei von dieser GmbH mit der Lohnbuchhaltung beauftragt.
☞Hierbei wurden die Geschäftsführer als selbständig behandelt und deshalb für sie keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt.
DRV Betriebsprüfung
Das hatte die DRV in einer Betriebsprüfung beanstandet. Mit Bescheid vom 6. Dezember 2019 forderte die Deutsche Rentenversicherung die GmbH zur Nachzahlung der Sozialversicherungsbeiträge für die drei Geschäftsführer in Höhe von 258.325,55 €.
Haftung des Steuerbüros?
Da die Forderung der DRV materiell-rechtlich nicht zu beanstanden war, richtete sich die GmbH (Mandantin) nun mit einer Schadenersatzforderung an die eigenen Steuerkanzlei.
Entscheidung des BGH
☞1. Das Lohnbuchhaltungsmandat umfasst keine Pflicht, die Frage der Sozialversicherungspflicht eigenständig zu klären.
☞2. Für die der Berechnung der Abzugsbeträge vorgelagerte Frage der Sozialversicherungspflicht der Tätigkeit eines Mitarbeiters des Mandanten hat der Lohnbuchhalter nach einer verbindlichen Vorgabe durch den Auftraggeber zu verfahren. Fehlt eine solche verbindliche Vorgabe und ist die statusrechtliche Einordnung des Mitarbeiters weder als anderweitig geklärt noch als zweifelsfrei anzusehen, hat der Lohnbuchhalter auf eine Klärung der Statusfrage durch den Auftraggeber hinzuwirken (Fortentwicklung von BGH, Urteil vom 12. Februar 2004 – IX ZR 246/02 und Urteil vom 23. September 2004 -IX ZR 148/03).
☞3. Hat der Lohnbuchhalter auf eine Klärung der Statusfrage durch den Mandanten hinzuwirken, muss er dem Mandanten die Möglichkeit einer rechtssicheren Klärung aufzeigen, etwa durch Einholung anwaltlichen Rats oder durch Klärung der Statusfrage im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens nach § 7a SGB IV oder eines Verfahrens vor den Einzugsstellen der Krankenkassen nach § 28h Abs. 2 SGB IV, und ihn um Entscheidung zum weiteren Vorgehen und zur statusrechtlichen Behandlung des Mitarbeiters im Rahmen der Lohnbuchhaltung ersuchen.
Fazit
Dieses Urteil macht mehrere Punkte überdeutlich:
- ☞Die sv-rechtliche Beurteilung von Gesellschaftern und Geschäftsführern einer GmbH ist kompliziert und
- Prüfungsschwerpunkt bei der DRV.
- Steuerberater müssen sich hier dringend absichern und den Mandantinnen empfehlen, die Stastusfarge über Rechtsanwälte und/oder eine Statusanfrage bei der Clearingstelle der DRV Bund zu klären.
Sonst drohen Haftungsprobleme!
Weiterführende Unterstützung
Auf alle wichtigen sv-rechtlichen Fragen zum Scheinselbständigkeit werden wir mit den Seminaren “Scheinselbstständigkeit – das große Problem in der SV” und “SV-rechtliche Beurteilung für Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH und Haftungsfragen für die Steuerberater” eingehen.
Für weitere Informationen und eine rechtliche Beratung zu diesem Thema stehen Ihnen unsere Experten gerne zur Verfügung.
Buchen Sie hier Ihr passendes Seminar!
Quelle: BGH Urteil
Autor: Jörg Romanowski
Vita und Seminare
Bleiben Sie up-to-date mit unseren Angebotenen. Abonnieren Sie den Nautilus – Newsletter.
NEWSLETTERANMELDUNG