Wellness oder Mehrwertsteuer-Dilemma – Das Niedersächsische Finanzgericht klärt auf
In der Welt der Steuern treffen oft komplizierte Sachverhalte auf klare rechtliche Rahmenbedingungen – und manchmal sorgt ein Urteil für Aufsehen, das auf den ersten Blick simpel erscheint:
☞die Aufteilung von Schwimmbad- und Saunaleistungen.
Aktuelle Rechtsprechung zu Wellness und Mehrwertsteuer
Das Niedersächsische Finanzgericht hat mit seinem Urteil vom 23. Mai 2023 (5 K 3/22) eine Entscheidung getroffen, die für Betreiber von Schwimmbädern mit Sauna und deren Gäste gleichermaßen von Bedeutung ist.
Entscheidung
☞Einheitlicher Steuersatz für Schwimmbad und Sauna
☞Das Gericht hat entschieden, dass die Eintrittsberechtigung für ein Sportschwimmbad, das auch die Nutzung einer Sauna umfasst, umsatzsteuerlich als ein einziges, untrennbares Leistungsbündel zu behandeln ist.
☞Dies bedeutet, dass das Gesamtpaket “Schwimmbad mit Sauna” dem Regelsteuersatz von 19 Prozent Umsatzsteuer unterliegt.
Die feine Linie zwischen Haupt- und Nebenleistung
Interessant an diesem Urteil ist die Betrachtungsweise der verschiedenen Leistungen. Während viele von uns den Saunabesuch als angenehme Ergänzung zum Schwimmen sehen könnten, sieht das Steuerrecht dies differenzierter. Die Nutzung der Sauna wird nicht als typische Nebenleistung zum Schwimmbadbesuch angesehen, sondern trägt einen eigenen, unabhängigen Zweck. Aus diesem Grund führt die Kombination dieser beiden Leistungen dazu, dass der ermäßigte Steuersatz, der für reine Schwimmbadleistungen gelten könnte, hier nicht zur Anwendung kommt.
Was bedeutet das für die Praxis?
Für Betreiber von Schwimmbädern mit integrierter Sauna bedeutet dieses Urteil, dass sie ihre Preisgestaltung und ihre Angebote möglicherweise überdenken müssen. Eine getrennte Preisgestaltung für Schwimmbad- und Saunanutzung könnte eine Möglichkeit sein, den Kunden dennoch den Vorteil eines ermäßigten Steuersatzes für den reinen Schwimmbadbesuch zu bieten.
Fazit
☞Dieses Urteil zeigt einmal mehr, wie wichtig es für Unternehmen ist, sich mit den Feinheiten des Umsatzsteuerrechts auseinanderzusetzen.
Es verdeutlicht, dass selbst die Kombination von Angeboten, die auf den ersten Blick eng miteinander verbunden scheinen, steuerliche Implikationen haben kann, die weitreichende Auswirkungen auf die Preisgestaltung und die Angebotspalette haben.
Für Gäste und Nutzer solcher Einrichtungen ist es ebenfalls interessant zu sehen, wie steuerliche Überlegungen auf die Angebote und Preise Einfluss nehmen können, die ihnen täglich begegnen.
In jedem Fall bleibt das Thema Umsatzsteuer ein spannendes Feld.
Hinweis: BMF-Schreiben
Das BMF hatte bereits die Trennung von Schwimmbad- und Saunaleistungen erleichtert.
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat mit einem Schreiben vom 18. Dezember 2019 neue Richtlinien zur Trennung der Entgelte bei Schwimmbad- und Saunaleistungen festgelegt. Diese Neuerung, eine Revision des bisherigen Anwendungserlasses von 2017, bringt eine willkommene Vereinfachung für Anbieter solcher Leistungen. Entscheidend ist nun nicht mehr die physische Trennung der Bereiche, sondern die vertragliche Gestaltung zwischen Anbieter und Kunde.
Flexible Aufteilung nach Vereinbarung
Diese Anpassung ermöglicht eine flexiblere Handhabung bei der Preisgestaltung und ist besonders in Hinblick auf die Umsatzsteuer relevant. Die neuen Richtlinien erkennen an, dass die Art und Weise, wie Angebote und Preise gestaltet werden, stark von den individuellen Vereinbarungen mit den Gästen abhängen. Damit rückt das BMF von der starren Betrachtung einer physischen Trennung ab und ermöglicht eine realitätsnähere und praktikablere Handhabung.
Praktische Beispiele zur Veranschaulichung
Um die Anwendung der neuen Regelungen zu erleichtern, stellt das BMF-Schreiben sieben praktische Beispiele dar. Diese Beispiele veranschaulichen die verschiedenen Möglichkeiten der Preisgestaltung und -aufteilung. So können Leistungen entweder als einheitliche Leistung zu einem ermäßigten oder regulären Umsatzsteuersatz betrachtet werden oder als separate Leistungen, deren Preise entweder anhand der Einzelverkaufspreise oder durch Kostenschätzung aufgeteilt werden müssen.
Warum eine Aufteilung überhaupt notwendig ist
Die Notwendigkeit einer solchen Aufteilung ergibt sich aus der unterschiedlichen Besteuerung von Schwimmbad- und Saunaleistungen. Während die Nutzung von Schwimmbädern mit einem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 Prozent besteuert wird, fallen Saunaleistungen unter den regulären Steuersatz von 19 Prozent. Diese Regelung gilt seit dem 1. Juli 2015 und zwingt Anbieter dazu, ihre Preise entsprechend aufzuteilen.
Breitere Anwendung über Schwimmbäder hinaus
Die im BMF-Schreiben dargelegten Grundsätze sind nicht nur für Schwimmbadbetreiber von Bedeutung. Auch Hotels, die sowohl Beherbergungsleistungen als auch Saunanutzung anbieten, müssen eine korrekte Aufteilung der Entgelte vornehmen. Diese Regelung gilt sogar für scheinbar unentgeltliche Leistungen, wie die Bereitstellung von Parkplätzen im Rahmen einer Beherbergung.
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Quelle: FG Niedersachsen
Autor: Jürgen R. Schott
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