Reverse-Charge-Verfahren und Abtretungsverfahren

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Reverse-Charge-Verfahren und Abtretungsverfahren

Der BFH klärt die Spielregeln zum Forderungsausfallrisiko beim Reverse-Charge-Verfahren und Abtretungsverfahren bei Bauleistungen!

BFH-Urteil

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat sich in seinem Urteil vom 17. April 2024 (XI R 16/22) erneut mit dem Abtretungsverfahren nach § 27 Abs. 19 Satz 4 Nr. 4 Umsatzsteuergesetz (UStG) beschäftigt. Dabei hat er wichtige Klarstellungen zur Verantwortung bei Forderungsausfällen getroffen.

☞Der BFH widersprach der Vorinstanz, dem Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg, und entschied zugunsten des leistenden Unternehmers.

Hintergrund: Reverse-Charge-Verfahren und Abtretungsverfahren

Im Rahmen des Reverse-Charge-Verfahrens schuldet der Leistungsempfänger, hier meist ein Bauträger, die Umsatzsteuer direkt an das Finanzamt. Das Abtretungsverfahren gemäß § 27 Abs. 19 UStG ermöglicht es dem leistenden Unternehmer, seine Forderung auf Zahlung der Umsatzsteuer an das Finanzamt abzutreten. Dadurch befreit er sich von der eigenen Steuerschuld.

Der Fall: Streit um ein Abtretungsangebot

Im zugrunde liegenden Fall aus den Jahren 2012/2013 ging es um einen Bauträger. Dieser hatte Bauleistungen von einem Unternehmer in Anspruch genommen. Der Bauunternehmer weigerte sich, eine Zusicherung abzugeben, dass die abgetretene Forderung nicht streitbefangen sei. Auf entsprechende Gesprächsangebote reagierte das Finanzamt nicht, und es kam zu einer langwierigen Auseinandersetzung.

Der Bauunternehmer bot dem Finanzamt im Jahr 2016 die Abtretung der Umsatzsteuerforderung an, jedoch ohne die geforderte Zusicherung. Das Finanzamt nahm dieses Angebot nicht an und änderte die Abtretungsanzeige erst Ende 2017, kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist der Ansprüche gegenüber dem Bauträger.

Entscheidung des BFH: Forderungsausfallrisiko beim Finanzamt

☞Entgegen der Entscheidung des FG Berlin-Brandenburg entschied der BFH, dass das Finanzamt das Abtretungsangebot hätte annehmen müssen.

Der BFH betonte, dass die Mitwirkungspflichten des Unternehmers nach § 27 Abs. 19 Satz 4 Nr. 4 UStG lediglich darauf abzielen, das Finanzamt bei der Realisation der abgetretenen Forderung zu unterstützen.

Dies umfasst insbesondere die Bereitstellung von Informationen und vertraglichen Unterlagen.

☞Es sei jedoch nicht erforderlich, dass der Unternehmer zusichert, die abgetretene Forderung sei nicht streitbefangen.

☞Der BFH stellte klar, dass das Realisationsrisiko für die abgetretene Forderung grundsätzlich beim Finanzamt liegt.

Sollte die Realisation der Forderung scheitern, darf dies nicht zulasten des leistenden Unternehmers gehen. In dem konkreten Fall lag somit kein Verstoß gegen die gesetzlichen Mitwirkungspflichten vor.

Auswirkungen und Fazit

Dieses Urteil des BFH hat weitreichende Konsequenzen für die Praxis des Abtretungsverfahrens im Rahmen des Reverse-Charge-Verfahrens bei Bauleistungen:

  1. Annahme des Abtretungsangebots: Das Finanzamt ist grundsätzlich verpflichtet, ein ordnungsgemäßes Abtretungsangebot anzunehmen. Bei einer fehlerhaften Ablehnung trägt das Finanzamt das Risiko eines Forderungsausfalls.
  2. Mitwirkungspflichten des Unternehmers: Der Unternehmer muss zwar kooperieren, um dem Finanzamt die Realisation der abgetretenen Forderung zu ermöglichen. Er ist jedoch nicht verpflichtet, eine Zusicherung zur Unstreitigkeit der Forderung abzugeben.
  3. Realisationsrisiko: Das Risiko, dass die abgetretene Forderung nicht realisiert werden kann, liegt beim Finanzamt. Dies entlastet den leistenden Unternehmer von der Zahlung der Umsatzsteuer, wenn ein Abtretungsangebot vorliegt und angenommen wurde.

Insgesamt stärkt das Urteil die Position der leistenden Unternehmer im Abtretungsverfahren. Das Urteil stellt sicher, dass das Realisationsrisiko nicht ungerechtfertigt auf sie abgewälzt wird. Steuerpflichtige sollten jedoch darauf achten, dass ihre Abtretungsangebote den gesetzlichen Anforderungen entsprechen, um von dieser Schutzwirkung zu profitieren.

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