außergewöhnliche Belastungen

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außergewöhnliche Belastungen

FG Baden-Württemberg Urteil v. 01.02.2024 – 1 K 1855/21: Abriss und Neubau bei Formaldehydbelastung nicht als außergewöhnliche Belastungen abziehbar

Einleitung

Das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg hat am 1. Februar 2024 in einem bemerkenswerten Urteil (Az. 1 K 1855/21) entschieden. Die Kosten für den Abriss eines Bestandsgebäudes und den Neubau eines Hauses aufgrund einer Formaldehydbelastung sind nicht als außergewöhnliche Belastungen (agB) nach § 33 EStG abzugsfähig.

☞Dieses Urteil gibt wertvolle Einblicke in die steuerliche Behandlung von Sanierungsmaßnahmen bei Schadstoffbelastungen in Wohngebäuden.

Hintergrund des Falls

Der Kläger erwarb ein freistehendes Einfamilienhaus und ließ später eine baubiologische Untersuchung durchführen, die im Schlafzimmer eine Formaldehydkonzentration von 0,112 ppm ergab. Dieser Wert liegt leicht über dem gesetzlichen Grenzwert von 0,1 ppm, ab dem eine Gesundheitsgefährdung angenommen wird. Der beauftragte Gutachter stellte eine erhöhten Schadstoffkonzentration fest und empfahl dem Kläger Minimierungsmaßnahmen durchzuführen. Dennoch entschied sich der Kläger, das Gebäude komplett abzureißen und neu zu bauen.

Klagebegehren und Entscheidung des Gerichts

In seiner Einkommensteuererklärung machte der Kläger die entstandenen Kosten für Abriss und Neubau in Höhe von 191.567 Euro als außergewöhnliche Belastungen geltend. Das Finanzamt lehnte diesen Antrag ab, und das FG Baden-Württemberg bestätigte diese Entscheidung.

Begründung des Urteils

Das FG Baden-Württemberg begründete seine Entscheidung damit, dass die Maßnahmen des Klägers nicht notwendig waren, um die Schadstoffbelastung zu beheben. Der Gutachter hatte nur eine Minimierung der Belastung durch Maßnahmen wie Abdichtung und Verbesserung der Lüftung empfohlen. Ein Abriss und Neubau wurden ausdrücklich nicht als notwendig angesehen. Daher waren die entstandenen Kosten nicht als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig.

Nach § 33 EStG können außergewöhnliche Belastungen steuerlich geltend gemacht werden, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse erwachsen. Zwangsläufigkeit liegt vor, wenn sich der Steuerpflichtige diesen Aufwendungen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.

Schlüsselüberlegungen des Gerichts zu außergewöhnlichen Belastungen

  1. Notwendigkeit der Maßnahmen: Das Gericht stellte klar, dass nicht jede Maßnahme zur Schadstoffbeseitigung automatisch als notwendig und damit als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden kann. Es muss geprüft werden, ob die Gesundheitsgefahr auch durch weniger einschneidende Maßnahmen, wie sie im Gutachten vorgeschlagen wurden, ausreichend hätte beseitigt werden können.
  2. Auswahl der Maßnahmen: Der Abriss und Neubau waren in diesem Fall nicht die einzig möglichen Maßnahmen zur Reduzierung der Schadstoffbelastung. Geringere Maßnahmen wie die Abdichtung von Fugen oder die Installation eines Lüftungssystems hätten ebenfalls ausgereicht, um die Formaldehydbelastung auf ein unbedenkliches Niveau zu senken.
  3. Schaden und Sanierungskosten: Das Gericht betonte, dass die bloße Überschreitung des Grenzwertes für Formaldehyd nicht zwangsläufig den Abriss des gesamten Gebäudes rechtfertigt, insbesondere wenn die Schadstoffquellen nicht präzise bestimmt wurden und weniger aufwändige Sanierungsmaßnahmen möglich sind.

Fazit und Bedeutung des Urteils

Das Urteil des FG Baden-Württemberg verdeutlicht, dass steuerlich abziehbare außergewöhnliche Belastungen nur dann vorliegen, wenn die getroffenen Maßnahmen objektiv notwendig und geeignet sind, um eine konkrete Gesundheitsgefahr zu beseitigen. In Fällen von Schadstoffbelastungen sollten betroffene Steuerpflichtige daher sorgfältig prüfen lassen, welche Maßnahmen wirklich erforderlich sind und sich dabei an die Empfehlungen von Fachgutachtern halten. Ein vorschneller Abriss und Neubau kann teuer werden – und unter Umständen steuerlich nicht abziehbar sein.

Für Steuerpflichtige, die mit ähnlichen Problemstellungen konfrontiert sind, ist es ratsam, frühzeitig rechtlichen und steuerlichen Rat einzuholen und sorgfältig abzuwägen, welche Maßnahmen im Einzelfall erforderlich und angemessen sind, um unnötige Kosten und steuerliche Nachteile zu vermeiden.

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Quelle: FG-Urteil

Autor: Jürgen R. Schott
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