Scheinselbständigkeit einer Steuerberaterin
Sachverhalt
In der Rechtsprechung an den Sozialgerichten geht es oft um die Scheinselbständigkeit. Diesmal ging es konkret um die Scheinselbständigkeit einer Steuerberaterin.
Das Bayerische Landessozialgericht (LSG) entschied am 19. Juni 2024 (Az.: L 16 BA 72/22) zum sv-rechtlichen Status einer Steuerberaterin. Diese wurde von einer Steuerberatungs-GmbH als freiberufliche Mitarbeiterin eingesetzt. Die DRV hat das im Rahmen eines Stausverfahrens als abhängige Beschäftigung gewertet.
Dagegen richtete sich die Berufungsklage – mit folgender Begründung:
Die Zusammenarbeit wurde vertraglich geregelt: Die Steuerberaterin konnte ihre Arbeitszeit frei gestalten und erhielt eine Vergütung basierend auf einem Umsatzanteil. Sie nutzte die Kanzlei-Infrastruktur, einschließlich eines Arbeitsplatzes, EDV-Zugängen und der Fachbibliothek. Ihre Hauptaufgabe bestand in der eigenständigen Bearbeitung von Mandaten, wobei sie regelmäßig der Kanzleileitung Bericht erstattete.
Entscheidung des LSG – Leitsätze
1. Eine Steuerberaterin, die – nach Beendigung einer 18-jährigen Tätigkeit als Angestellte – Mandate derselben Steuerberatungsgesellschaft in deren Namen, überwiegend in deren Kanzleiräumen unter Nutzung der dortigen Ausstattung bearbeitet, teilweise an Dienstbesprechungen teilnimmt und Berichts-, Aktenbearbeitungs- und Aufbewahrungspflichten sowie einer Qualitätskontrolle unterliegt, ist – auch bei überwiegender Vergütung durch eine Umsatzbeteiligung an den von ihr bearbeiteten Mandaten – abhängig beschäftigt. (Rn. 30 und 36)
2. Das Unternehmerrisiko ist auch bei eigener Bezahlung von Fortbildungskosten sowie Beiträgen zur Haftpflichtversicherung und dem Berufsverband gering ausgeprägt, wenn die Umsatzbeteiligung an die Steuerberaterin auch bei Zahlungsausfall der Steuerberatungsgesellschaft geleistet wird und in Monaten mit geringer Umsatzbeteiligung Vorschüsse gezahlt werden, so dass ein monatlich relativ gleich bleibendes Einkommen gesichert ist. (Rn. 36)
3. Weisungsgebundenheit und Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation müssen zur Annahme einer Beschäftigung iSd § 7 Abs. 1 SGB IV nicht kumulativ vorliegen. (Rn. 39)
4. Im Hinblick auf die berufsspezifischen Besonderheiten bei Steuerberatern kommt vor allem der Frage nach der Eingliederung in einen fremden Kanzleibetrieb und dem Unternehmerrisiko maßgebliche Bedeutung zu. (Rn. 42)
Fazit
Die sv-rechtlich korrekte Abgrenzung zwischen einer selbstständigen Tätigkeit und einer abhängigen Beschäftigung ist oft schwierig, insbesondere bei freien Berufen wie Steuerberatern. Neben den vertraglichen Regelungen ist das Gesamtbild der Tätigkeit entscheidend. Wichtige Faktoren sind die Eingliederung in betriebliche Abläufe, Weisungsgebundenheit und das wirtschaftliche Risiko.
⚠️In diesem Fall sprach die Nutzung der Kanzlei-Infrastruktur, die enge Abstimmung mit der Kanzleileitung und das Fehlen eines nennenswerten unternehmerischen Risikos gegen eine selbstständige Tätigkeit.
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Quellen: LSG-Urteil
Autor: NAUTILUS-Akademie
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