Vorsteuerabzug aus unrichtigem Steuerausweis? EuGH äußert sich erneut zum Direktanspruch
Der EUGH hat sich mit der Praxisfrage beschäftigt: Was gilt beim Vorsteuerabzug bei unrichtigem Steuerausweis?
In einem aktuellen Urteil hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) eine weitere Entscheidung zur komplexen Rechtslage des sogenannten „Reemtsma-Direktanspruchs“ getroffen (Urteil vom 15.09.2024, C-83/23).
Das Urteil schränkt die Möglichkeit des Leistungsempfängers ein, die irrtümlich gezahlte Umsatzsteuer direkt vom Finanzamt zurückzufordern, wenn die Steuer bereits an den insolventen Leistenden zurückerstattet wurde.
Hintergrund: Der Reemtsma-Direktanspruch
Der Reemtsma-Direktanspruch ermöglicht es dem Leistungsempfänger in bestimmten Fällen, irrtümlich gezahlte Umsatzsteuer direkt vom Finanzamt zurückzufordern. Das gilt wenn eine Rückforderung vom Leistenden faktisch unmöglich ist. Der EuGH hat mit dem aktuellen Urteil jedoch die Anwendbarkeit dieses Anspruchs erneut beschränkt. Weiter hat der EUGH klargestellt, dass der Leistungsempfänger grundsätzlich verpflichtet ist, alles Erforderliche zu unternehmen, um die Umsatzsteuer vom Leistenden zurückzuholen. Eine direkte Erstattung vom Finanzamt kann also nur ultima ratio sein.
Fallentscheidung: Insolvenz des Leistenden und Erstattung durch das Finanzamt
Im konkreten Fall ging es um einen grenzüberschreitenden Leistungsaustausch innerhalb der EU. Hier war die Steuerbarkeit und damit die Umsatzsteuerpflicht in einem anderen Mitgliedstaat anzusiedeln. Der EuGH entschied, dass der Leistungsempfänger zunächst alle zivilrechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen muss, um den Leistenden zur Erstattung zu bewegen. Selbst dann, wenn dies im Zweifelsfall einen zivilrechtlichen Prozess erforderlich macht. Dieser könnte den Leistenden dazu zwingen, sich im Mitgliedstaat der tatsächlichen Leistungserbringung zu registrieren und eine konforme Rechnung auszustellen. Der Leistungsempfänger könnte dann, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, die gezahlte Umsatzsteuer gegebenenfalls über das Vorsteuervergütungsverfahren im anderen EU-Mitgliedstaat zurückfordern.
Der EuGH sieht dabei eine doppelte Rückzahlung der Umsatzsteuer durch das Finanzamt kritisch. Eine solche könnte die Überprüfung der Besteuerung im anderen Mitgliedstaat erschweren und erhöht das Risiko von Mehrwertsteuerbetrug.
Korrektur nach § 14c UStG oder Direktanspruch?
Die Experten der Kanzlei KMLZ heben in ihrem Newsletter 40/2024 die Probleme in diesem Urteil hervor. Sie sehen einen “Wettlauf zwischen Korrektur nach § 14c UStG und Direktanspruch”. Im aktuellen Fall gibt es jedoch Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Rückzahlung der unzutreffend ausgewiesenen Umsatzsteuer seitens des Finanzamts an den Insolvenzverwalter des Leistenden. Die Kanzlei argumentiert, dass das Finanzamt die Steuer nicht hätte zurückzahlen dürfen, solange der Leistende die Steuer nicht an den Leistungsempfänger zurückerstattet hat.
Fazit
Das Urteil stellt eine weitere Einschränkung des Reemtsma-Direktanspruchs dar. Es zeigt auch, dass der EuGH die Möglichkeiten zur direkten Steuererstattung durch das Finanzamt als eng begrenzt ansieht. Unternehmen sind gut beraten, vertragliche Vereinbarungen genau zu prüfen und bei Ausweisfehlern die Berichtigung nach § 14c UStG zu forcieren, um im Zweifel langwierige Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden.
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Quellen: EUGH-Urteil
Autor: NAUTILUS-Akademie
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