Offenbare Unrichtigkeiten im Steuerrecht
Mechanischer Fehler bei unklarer Aktenlage?
BFH bestätigt seine Rechtsprechung – Urteil vom 22.10.2024 (VIII R 33/21)
Die Frage, in welchen Fällen eine offenbare Unrichtigkeit im Steuerrecht gemäß § 129 Satz 1 AO vorliegt, bleibt eine zentrale Thematik im Steuerrecht. Mit Urteil vom 22.10.2024 hat der Bundesfinanzhof (BFH) seine Grundsätze hierzu erneut präzisiert und die bisherige Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteil vom 08.12.2021 – I R 47/18) bestätigt. Doch was bedeutet das konkret für die Praxis?
Offenbare Unrichtigkeit im Steuerrecht – Der Streitfall
Im zugrunde liegenden Streitfall ging es um die Frage, ob eine offenbare Unrichtigkeit vorliegt, wenn zur Bestimmung des steuerlichen Einlagekontos nicht nur die mechanische Übernahme der Kapitalrücklage aus dem Jahresabschluss erforderlich ist, sondern auf einer zweiten Stufe weitere Ermittlungen zum Sachverhalt vorgenommen werden müssen.
Der BFH stellte klar, dass der Umstand, dass zusätzliche Sachverhaltsermittlungennotwendig sind, eine offenbare Unrichtigkeit nicht ausschließt. Entscheidend ist, ob ein unvoreingenommener Dritter erkennen kann, dass ein mechanischer Fehler vorliegt. Im Streitfall war offensichtlich, dass der Bestand des steuerlichen Einlagekontos nicht 0 Eurobetragen konnte.
Die Entscheidung des BFH
Der BFH entschied, dass eine offenbare Unrichtigkeit vorliegt, da die Fehlerhaftigkeit der Buchung bei unvoreingenommener Betrachtung deutlich erkennbar war. Die weiteren Ermittlungen zur genauen Höhe des steuerlichen Einlagekontos ändern daran nichts.
Jedoch war der BFH aufgrund der bisherigen Tatsachenfeststellungen nicht in der Lage, die korrekte Höhe des steuerlichen Einlagekontos selbst zu bestimmen. Aus diesem Grund wurde die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht München zurückverwiesen.
Bedeutung für die Praxis
Das Urteil verdeutlicht einmal mehr, dass die Abgrenzung zwischen einer offenbaren Unrichtigkeit und einer fehlerhaften Sachverhaltsérfassung äußerst differenziert erfolgen muss. Steuerpflichtige und ihre Berater sollten die folgenden Punkte beachten:
- Prüfung der Aktenlage: Liegt ein mechanischer Fehler vor, der bei unvoreingenommener Betrachtung erkennbar ist? Oder handelt es sich um eine inhaltliche Fehleinschätzung?
- Dokumentation: Eine klare und nachvollziehbare Dokumentation von Sachverhalten und deren steuerlicher Behandlung ist essenziell, um Fehlerquellen zu minimieren.
- Ermittlungspflichten der Finanzverwaltung: Auch bei mechanischen Fehlern können weitere Ermittlungen erforderlich sein. Dies schließt jedoch eine offenbare Unrichtigkeit nicht aus.
Fazit
Das BFH-Urteil vom 22.10.2024 schafft weitere Klarheit für die Anwendung von § 129 AO. Es unterstreicht, dass auch komplexere Sachverhalte, bei denen eine Fehlerhaftigkeit offensichtlich ist, unter den Begriff der offenbaren Unrichtigkeit fallen können. Damit dürfte das Urteil insbesondere in Streitfällen um steuerliche Einlagekonten und andere komplexe Buchungsvorgänge hohe Relevanz haben.
Für Steuerpflichtige bleibt es wichtig, die Aktenlage und Buchungsvorgänge kritisch zu prüfen und Fehler rechtzeitig zu melden – nicht zuletzt, um unnötige Konflikte mit der Finanzverwaltung zu vermeiden.
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Quellen: BFH-Urteil
Autor: NAUTILUS-Akademie
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