Leistungen zwischen Praxisgemeinschaften und ihren Mitgliedern

Leistungen zwischen Praxisgemeinschaften und ihren Mitgliedern

Wenn Leistungen zwischen Praxisgemeinschaften und ihren Mitgliedern erbracht werden, stellt sich auch die Frage nach der umsatzsteuerlichen Behandlung. 

BFH bestätigt Berufung auf unionsrechtliche Steuerbefreiung bis 2020

BFH zu Leistungen zwischen Praxisgemeinschaften und ihren Mitgliedern

Mit Beschluss vom 04.09.2024 (XI R 37/21) hat der Bundesfinanzhof (BFH) wichtige Grundsätze zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Leistungen zwischen Praxisgemeinschaften und ihren Mitgliedern klargestellt. Insbesondere geht es um die Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL und deren Anwendung vor Einführung des § 4 Nr. 29 UStG zum 1. Januar 2020.

Hintergrund: Unionsrechtliche Steuerbefreiung

Der BFH stellte fest, dass sich Unternehmer bis einschließlich 2019 erfolgreich auf die Steuerbefreiung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL berufen können, da die damalige Regelung in § 4 Nr. 14 UStG a.F. nicht mit dem Unionsrecht in Einklang stand. Diese war auf Dienstleistungen im Gesundheitsbereich beschränkt, wie bereits der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Urteil vom 21.09.2017 (C-616/15) bemängelte.

Die Entscheidung im Detail

Die BFH-Entscheidung beleuchtet zwei zentrale Fragen für die Beratungspraxis:

  1. Unternehmereigenschaft von Praxisgemeinschaften

Der BFH stellt klar, dass eine Praxisgemeinschaft unter bestimmten Bedingungen als Unternehmer i.S.d. § 2 UStG einzuordnen ist. Entscheidend ist, dass die Gemeinschaft nach außen hin Leistungen erbringt und die Kosten an ihre Mitglieder weiterberechnet. Damit gelten Praxisgemeinschaften, die ihre Ressourcen (z. B. Räume, Personal) bereitstellen, umsatzsteuerlich als eigenständige Unternehmer.

Besonders hervorzuheben ist, dass bei einer Weiterberechnung der Kosten keine gesonderte Feststellung von Vorsteuerbeträgen notwendig ist. Dies gilt unabhängig davon, ob die Praxisgemeinschaft rechtlich als Bruchteilsgemeinschaft oder Gesellschaft strukturiert ist.

  1. Leistungsaustausch bei Unterstützung durch Gesellschafter

Ein interessanter Aspekt der Entscheidung betrifft die Frage, ob Geschäftsführungsleistungen eines Gesellschafters gegenüber der Praxisgemeinschaft steuerlich als Leistungsaustausch zu behandeln sind. Der BFH argumentiert, dass solche internen Leistungen „nicht ohne weiteres“ zu einer steuerbaren Leistung führen, da andernfalls der leistende Gesellschafter selbst als Leistungsempfänger auftreten würde.

Allerdings ist dieser Ansatz in der Praxis komplex. Sofern Leistungen von Gesellschaftern an die Gesellschaft als steuerbar und steuerpflichtig eingestuft werden, entsteht eine Umsatzsteuerpflicht, die durch korrekte Abrechnung mit Vorsteuerabzug neutralisiert werden kann. Im vorliegenden Fall spielte dies jedoch keine Rolle, da die Praxisgemeinschaft von der unionsrechtlichen Steuerbefreiung profitierte.

Praxisrelevanz: Berufung auf Unionsrecht erfolgreich

Die Entscheidung des BFH bietet Klarheit und eröffnet rückwirkend bis 2020 die Möglichkeit, sich auf die Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL zu berufen. Voraussetzung ist, dass die Gemeinschaft lediglich die exakte Kostenerstattung einfordert und keine Wettbewerbsverzerrungen entstehen.

Insbesondere Praxisgemeinschaften im Gesundheitssektor können nun offene Verfahren wiederaufnehmen und ihre Steuerlast reduzieren. Die BFH-Entscheidung zeigt jedoch, dass jede Leistungsbeziehung zwischen Praxisgemeinschaften und ihren Gesellschaftern weiterhin individuell geprüft werden muss.

Handlungsempfehlung für die Praxis

  • Prüfung der umsatzsteuerlichen Behandlung: Praxisgemeinschaften sollten sicherstellen, dass ihre Abrechnungsmodalitäten mit den Anforderungen des § 4 Nr. 29 UStG konform sind, insbesondere hinsichtlich der Kostenerstattung und der Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen.
  • Unionsrechtliche Berufung: Für offene Steuerverfahren vor 2020 kann die unionsrechtliche Steuerbefreiung als Argument eingebracht werden, um Steuerlasten zu mindern.
  • Abgrenzung von Leistungen: Leistungen von Gesellschaftern an die Gemeinschaft sollten sorgfältig geprüft und dokumentiert werden, um Streitigkeiten über die Steuerbarkeit zu vermeiden.

Die Entscheidung verdeutlicht die Relevanz einer genauen steuerlichen Planung und Dokumentation in Praxisgemeinschaften. Steuerberater und Praxisgemeinschaften sollten diese Gelegenheit nutzen, um sowohl vergangene als auch aktuelle Sachverhalte rechtlich abzusichern und steueroptimale Lösungen umzusetzen.

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Quelle: BFH

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Autor: NAUTILUS-Akademie

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