Widerlegung des Anscheinsbeweises und private Pkw-Nutzung

Widerlegung des Anscheinsbeweises und private Pkw-Nutzung

Die Widerlegung des Anscheinsbeweises und die private Pkw-Nutzung sind immer problematisch in der Praxis.

Ist ein Nachweis nur mit ordnungsgemäßem Fahrtenbuch möglich? Lt. BFH nein!

Rechtsprechung zur Widerlegung des Anscheinsbeweises

Mit Urteil vom 22.10.2024 (VIII R 12/21) hat der Bundesfinanzhof (BFH) klargestellt, dass bei der Prüfung, ob der Anscheinsbeweis der privaten Pkw-Nutzung erschüttert werden kann, sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind. Insbesondere darf ein Fahrtenbuch nicht allein deshalb unberücksichtigt bleiben, weil es als „nicht ordnungsgemäß“ eingestuft wird.

Hintergrund: Der Streitfall

Im zugrundeliegenden Fall hatte ein Steuerpflichtiger einen auffälligen Lamborghini Aventador mit Werbeaufschrift geleast und diesen für betriebliche Zwecke eingesetzt. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass das Fahrzeug überwiegend der privaten Lebensführung zuzuordnen sei und kürzte die Leasingkosten nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStGum zwei Drittel. Zudem wurde die 1-Prozent-Methode angewandt, obwohl der Steuerpflichtige weitere Fahrzeuge (ein BMW 740d X Drive im Betriebsvermögen und ein Pkw im Privatvermögen) besaß. Aufgrund der Kostendeckelung waren die Aufwendungen für den Lamborghini steuerlich nicht abzugsfähig.

Das Finanzgericht (FG) München bestätigte diese Auffassung und argumentierte, dass der Steuerpflichtige den Anscheinsbeweis der privaten Nutzung nicht ausreichend erschüttert habe. Das von ihm vorgelegte Fahrtenbuch wurde als „nicht ordnungsgemäß“ eingestuft und deshalb nicht berücksichtigt.

Die Entscheidung des BFH

Der BFH hob das Urteil des FG auf und verwies die Sache zurück. Er rügte insbesondere die unzureichenden Sachverhaltsfeststellungen des FG. Nach Ansicht des BFH darf ein nicht ordnungsgemäß geführtes Fahrtenbuch nicht pauschal ausgeschlossen werden, wenn es dennoch Hinweise auf eine überwiegend betriebliche Nutzung des Fahrzeugs liefert.

In Rz. 35 des Urteils stellte der BFH klar:

“Das FG wird […] näher zu begründen haben, warum die Berührung der privaten Lebensführung überwiegend im Vordergrund stehen und diesen Umstand aufwiegen kann, wenn es weiterhin die Aufwendungen für unangemessen hält. Zudem wird es hinsichtlich der verneinten objektiven Eignung des Fahrzeugs für den Betriebserfolg in die Betrachtung auch einzubeziehen haben, dass der Kläger den mit einer Werbefolie versehenen Lamborghini […] gezielt für den Besuch bestimmter Kundenkreise eingesetzt hat.”

Praktische Konsequenzen für Steuerpflichtige

  1. Beweispflicht bleibt bestehen: Der Steuerpflichtige muss weiterhin belegen können, dass das Fahrzeug überwiegend betrieblich genutzt wurde. Dabei können sämtliche Indizien herangezogen werden, auch ein unvollständiges Fahrtenbuch.
  2. Einzelfallbetrachtung gewinnt an Bedeutung: Die Finanzverwaltung und die Gerichte müssen die spezifischen Umstände des Falles umfassend prüfen – pauschale Ablehnungen sind nicht zulässig.
  3. Werbeeffekt von Fahrzeugen berücksichtigen: Fahrzeuge mit Werbeaufschriften können als Betriebsmittel anerkannt werden, wenn sie gezielt für die Kundengewinnung eingesetzt werden.

Fazit

Das BFH-Urteil unterstreicht, dass die Finanzverwaltung bei der steuerlichen Einordnung von Fahrzeugkosten keine starren Anforderungen an den Nachweis der betrieblichen Nutzung stellen darf. Steuerpflichtige können auch ohne ein formal ordnungsgemäßes Fahrtenbuch den Anscheinsbeweis der privaten Nutzungerschüttern, wenn sie andere überzeugende Nachweise erbringen. Dies erhöht die Chancen für Unternehmen, auffällige Fahrzeuge wie Sportwagen bei der Steuer abzusetzen – vorausgesetzt, der betriebliche Nutzen wird plausibel dargelegt.

Dieses Urteil ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass die Gerichte den individuellen Gegebenheiten mehr Beachtung schenken müssen.

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Quelle: BFH

Autor: NAUTILUS-Akademie

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