Ausgleichszahlungen zur Auflösung von Werkverträgen

Ausgleichszahlungen zur Auflösung von Werkverträgen

Laut EUGH können Ausgleichszahlungen zur Auflösung von Werkverträgen steuerpflichtig sein!

EUGH-Rechtsprechung

Mit Urteil vom 28.11.2024 (C-622/23) hat der EuGH eine praxisrelevante Entscheidung zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Ausgleichszahlungen bei der Kündigung von Werkverträgen getroffen. Die Folgen sind insbesondere für den Immobilienbereich weitreichend.

Sachverhalt und Kernaussage des EuGH

Der Gerichtshof hatte sich mit der Frage zu befassen, ob Zahlungen, die im Rahmen der vorzeitigen Vertragsbeendigung eines Immobilienbauprojekts geleistet werden, der Umsatzsteuer unterliegen.

Die Antwort des EuGH: Ja, sofern die Zahlungen im wirtschaftlichen Zusammenhang mit einem bestehenden Austauschverhältnis stehen.Maßgeblich ist, ob bereits (Teil-)Leistungen erbracht wurden oder ob der Anspruch auf Zahlung eine Art Mindestvergütung für die bloße Leistungsbereitschaft darstellt.

Die Begründung: Auch wenn die konkrete Ausführung der Leistung unterbleibt, liegt bei einem bestehenden Vertragsverhältnis ein Leistungsaustausch vor – selbst dann, wenn der Leistungsempfänger (Besteller) auf die Leistung verzichtet.

Übertragbarkeit auf deutsches Recht (§ 648 BGB)

Der Fall ist auf das deutsche Werkvertragsrecht übertragbar. Nach § 648 Satz 2 BGB steht dem Unternehmer nach einseitiger Kündigung des Bestellers ein Anspruch auf die vereinbarte Vergütung zu, abzüglich ersparter Aufwendungen. Gesetzlich wird vermutet, dass der Unternehmer zumindest 5 % der noch nicht erbrachten Vergütung beanspruchen kann.

Damit stellt sich die Frage, ob dieser Anspruch – der wirtschaftlich eine Entschädigung für das vorzeitige Vertragsende darstellt – als umsatzsteuerpflichtiger Leistungsaustausch zu qualifizieren ist.

Die Antwort nach dem EuGH-Urteil: In vielen Fällen ja.

BFH-Vorarbeit und aktuelle Brisanz

Bereits der BFH hatte mit Urteil vom 26.08.2021 (V R 13/19) angedeutet, dass der Verzicht auf eine Rechtsposition grundsätzlich einen Leistungsaustausch darstellen kann – sofern der Leistende eine solche Position inne hatte. Damals blieb die Umsatzsteuerpflicht offen, da die Substanz der Rechtsposition zweifelhaft war.

Mit der EuGH-Entscheidung ist nun klar: Einfaches „Nicht-Leisten“ reicht nicht, um aus dem steuerbaren Bereich herauszufallen, wenn der Anspruch aus einem (Werk-)Vertrag folgt.

Praxisfolgen: Steuerfalle für Vermieter, Absicherungsbedarf für Unternehmer

Brisant wird die Entscheidung in Fällen, in denen die gekündigte Leistung im Zusammenhang mit einer steuerfreien Vermietung steht. Da hier kein Vorsteuerabzug möglich ist, erhöht eine umsatzsteuerpflichtige Abfindung die Nettokosten für den Bauherrn/Vermieter.

Für den Auftragnehmer hingegen kann eine umsatzsteuerfreie Abwicklung ein Risiko bedeuten: Er schuldet ggf. die Umsatzsteuer (bei fehlerhafter Behandlung) ohne diese sicher vereinnahmt zu haben – insbesondere dann, wenn das Reverse-Charge-Verfahren nicht greift.

Handlungsempfehlung für die Beratungspraxis

  • Vertragsgestaltung prüfen: Werkverträge sollten klare Regelungen enthalten, ob und in welcher Form Ausgleichszahlungen bei Kündigung gezahlt werden – inklusive umsatzsteuerlicher Regelung.
  • Umsatzsteuerklausel aufnehmen: Eine Absicherungsklausel für den Fall einer geänderten oder fehlerhaften umsatzsteuerlichen Einordnung hilft, spätere Streitigkeiten und steuerliche Risiken zu vermeiden.
  • Vorsteuerabzugsrecht prüfen: Insbesondere bei steuerfreien Ausgangsumsätzen (Vermietung!) müssen Bauherren die Kostenfolgen einer umsatzsteuerpflichtigen Vertragsauflösung kennen.
  • Alternative Vertragsmodelle abwägen: Pauschalvergütungen oder abgestufte Kündigungsrechte mit klarer Vergütungsausgestaltung könnten in Einzelfällen steuerlich günstiger sein.

Fazit:

Das EuGH-Urteil bringt neue Klarheit – und neue Risiken. Für Steuerberater ist es unerlässlich, die Konsequenzen frühzeitig im Vertragsstadium zu antizipieren und Mandanten sowohl auf Unternehmer- als auch auf Bauherrenseite umfassend zu sensibilisieren.

 

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Quelle: EUGH

Autor: NAUTILUS-Akademie

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